Autismus - ohne wäre die Normalität gestört

 

 

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Autisten und das Stockholm-Syndrom

Menschen wollen menschlich behandelt werden. Wenn das nicht der Fall ist, neigen sie dazu es sich einzubilden. Eine besondere Beziehung besteht dabei logischerweise stets zu Personen, die in das eigene Leben hineinwirken. Das gilt unter Umständen auch für solche, die eigentlich etwas mit uns machen, das uns nicht zusagt. Seien es Geiselnehmer, hoffnungslos rückschrittliche Therapeuten oder Eltern.

Außenstehenden, denen lediglich deren Übergriffe berichtet werden, bleibt verborgen, daß auch der größte Verbrecher menschliche Seiten besitzt, die vielleicht sogar hier und da symphatisch sind. Das Verbrechensopfer ist dem Täter in einer bestimmten Klasse von Fällen menschlich nah, sucht Sicherheit und menschliche Bezugspersonen.

Diskriminierung unfreiwilliger Minderheiten im Alltag ist aufgrund ihrer häufig lebenslangen Dauer ein schweres Verbrechen. Wer kann es aus sich heraus schaffen, ein bedeutenderes Maß von Grausamkeiten an sich selbst zu ertragen ohne das Grauen zu verdrängen, zu verharmlosen? Dazu braucht es stabile menschliche Bezugspunkte, die viele Autisten nicht haben.

Autisten sind als bis heute stark diskriminierte Minderheit häufig am Stockholm-Syndrom erkrankt, was diese einzelnen Autisten daran hindert ihre Interessen sinnvoll zu vertreten oder auch nur halbwegs zu erkennen, welchem breiten Unrecht sie ausgesetzt sind. Symptom ist eine auffällige Häufung von Standpunkten unter Autisten, wonach doch eigentlich alles ganz gut wäre wie es ist. Sicher, alles kann noch schlimmer sein. Wer mit glühenden Eisen gefoltert wird, der hat es noch relativ gut, schließlich könnte es schlimmer sein. Der Sklave hat Angst vor der Abschaffung der Sklaverei, der Unsicherheit des Verlassens der gewohnten Rolle. Diese Sklaven gab es damals tatsächlich, sie sind keine Erfindung. Auch sie waren erkrankt am später so benannten und beschriebenen Stockholm-Syndrom einer tendentiell eher weiten Definition, die auch sehr langfristig erworbene Verbrechenstraumata einschließt.

Dieses treibt auch über aktives Eintreten gegen Rechte und Barrierefreiheit für die eigene Minderheit hinaus hochgradig absurde Blüten, etwa wenn Autisten selbst sogar Morde an anderen Autisten durch deren eigene Eltern in ihrer Verwerflichkeit relativieren, indem Verständnis für sie geäußert wird. Es sei ja schon schwer mit „uns Autisten“. Diese Symptomatik trifft man auch bei anderen Personen an, die gemeinhin als menschlicher Abfall betrachtet werden und nur euphemistisch anders bezeichnet werden: „Das enteignete Bewußtsein plappert die Argumente der Heimleitung nach …“ Der Sklave rügt seinen Mitsklaven, welcher ungehorsam gegenüber dem Besitzer war und teilt ihm mit, daß seine Bestrafung durch 40 Peitschenhiebe völlig gerechtfertigt gewesen sei. Verkehrte Welt. Kranke Seelen.

Damit muß Schluß sein.

Am Stockholm-Syndrom erkrankte Autisten können für die Dauer ihrer Unpässlichkeit keine verantwortliche Betätigung in der Interessenvertretung von Autisten ausüben. Dafür bitten wir um Verständnis. Helfende Tätigkeiten an diese zu vergeben, ist jedoch möglich. Bei der Suche nach geeigneten Psychologen ist die ESH diesen Autisten aber jederzeit gerne behilflich.

Autisten – Integration

Integration hat zwei Seiten:

1. Ein Farbiger bekommt wegen seiner Hautfarbe keinen Job. Deswegen bekommt er eine „Integrationsmaßnahme“ verordnet. Dort lehren ihn Personen, die zum großen Teil von der Minderwertigkeit seiner „Rasse“ überzeugt sind, sich weiß zu schminken, um weniger aufzufallen. Als er das tut, bekommt er eine Anstellung als Kloputzer. Sein Fall wird als Beispiel gelungener Integration späteren Teilnehmern ähnlicher Kurse genannt.

2. Ein Farbiger bekommt wegen seiner Hautfarbe keinen Job. Deswegen bekommt er einen „Integrationsassistenten“ zugewiesen, der ihm dabei hilft, sich gegen illegale Diskriminierungen zur Wehr zu setzen. Der Assistent macht in verschiedenen Firmen solche Diskriminierungen aus und leitet dazu Dokumentationen an eine zuständige Antidiskriminierungsstelle weiter, die verschiedene Strafen verhängen kann. So findet er schließlich eine Anstellung als Produktdesigner.

Version 1 klingt für die meisten Ohren vermutlich absurd. Wenn derartiges passieren würde, wäre der Aufschrei vermutlich groß.

Für Autisten jedoch ist Version 1 bis heute der Normalfall.

Doch im Grundgesetz steht:

Zitat:

Art. 3

[…]

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Autisten – Eine Minderheit

Sich gegenseitig wenig verstehende Sprachgruppen innerhalb einer Gesellschaft neigen unter bestimmten Umständen dazu, einander mißtrauisch zu belauern. Sprachgruppen? Ja, Autisten gewichten aufgrund ihrer charakterlichen Veranlagung Sprache anders, messen dem verbalen Sprachanteil größere Bedeutung zu, als es Nichtautisten (NA) gemeinhin tun.

Letztere verständigen sich gerne zu großen Teilen über andeutende Signale des Körpers, der Stimmlage, etc. Überwiegend verbale Kommunikation (wie z.B. rein schriftliche über das Internet) erscheint ihnen daher karg und unattraktiv. Autisten tendieren oft dazu, eine weit lässigere Beziehung zu ihrem Körper zu haben, ihn mehr als Werkzeug zu betrachten, denn als Teil ihrer eigenen Person oder gar schlichthin als sich selbst.

Essentiell für die Entstehung von Mißverständnissen ist Ahnungslosigkeit über vorhandene Unterschiede. In manchen Regionen der Erde gilt Kopfschütteln als Bejahung und Kopfnicken als Ablehnung. Wenn ein Angehöriger der Bevölkerungsminderheit der Autisten sich nun gemäß seiner Veranlagung überwiegend verbal ausdrückt, seinen Körper jedoch dabei nicht anspannt und bewegt, wie es NA gerne tun, ergibt sich daraus wahrscheinlich der Eindruck bei einem NA, daß diese Signale die Gefühlslage des Gegenübers transportieren.

Daher wirkt der Autist im System der nichtautistischen Sprache teilnahmslos, desinteressiert, schwach, depressiv, tot, etc. Kaum ein NA wird auf den Gedanken kommen, daß der Autist schlichtweg rar mit seinem Körper kommuniziert, da NA wissen, daß diese Körpersprache bei ihnen selbst zu gewichtigen Teile unbewußt zum Ausdruck kommt. Daher auch die vielen Bücher und Kurse über Körpersprache. Die kaufen ja nicht nur Autisten, sondern vor allem NA, die lernen möchten auch per Körpersprache lügen zu können.

Somit wäre es für einen NA aufgrund seines Selbsterlebens völlig abwegig von einer grundlegend anderen Kommunikationsveranlagung auszugehen, die nicht erlernt ist, sondern Teil des Charakters einer Person. Hier versagt dem NA seine Emphatie, die nur dann funktioniert, wenn Ähnlichkeiten zwischen eigenem Welterleben und demjenigen von Mitmenschen ausgemacht werden. Autisten jedoch befinden sich meist rein aufgrund ihrer Minderheitenrolle in der Lage ihre natürliche Emphatie nur eingeschränkt anwenden zu können. Wären die Mehrheitsverhältnisse anders – wer will nicht behaupten, daß NA statt Autisten sich ihrerseits als Aliens erleben würden.

Da viele Menschen gesunderweise dazu neigen sich mitsamt ihren Charaktereigenschaften positiv zu werten, tendieren nun auf Grundlage solcher Mißverständnisse nicht wenige NA dazu, nach Kenntnisname der für sie im Grunde undenkbaren Andersartigkeit ebendiese defizitorientiert anhand ihrer Abweichungen zu bedauern:

„Aber mir schmeckt Sauerkraut mit Bratensoße so gut! Daß du daran keine Freude hast, tut mir sooooo leid. Du mußt krank sein! Du weiß gar nicht, was dir entgeht! Laß dir doch helfen!“

Die Arroganz der Mehrheit ist bekannt für ihre Neigung, Minderheiten auszugrenzen. Was für selbstgewählte Minderheiten ein Teil gegenseitigen Konformitätsdrucks z.B. in Generationskonflikten sein kann, ist für Angehörige von unfreiwilligen Minderheiten rasch eine grundlegend traumatisiernde Erfahrung. Der Konformitätsdruck richtet sich nicht gegen freie Überzeugungen, sondern gegen die eigene unumstößlich so seiende Natur, den Menschen an sich.

Die Mehrheit braucht Minderheiten anscheinend existentiell, um sich selbst zu definieren und mißbraucht sie zu diesem Zweck in menschenverachtender Weise. Als Alternative zur sinnstiftenden Wirkung von inneren und äußeren „Anderen“ kommen auch Ideale kaum in Betracht, da eben solche Ideale Anderartigkeit erst kenntlich machen.

Solcherlei Ausgrenzung verursacht in der Folge gravierende Schäden wie Kriegskosten auf zwischenstaatlicher Ebene oder menschenunwürdige Lebensbedingungen und Chancenungleichheit von Angehörigen ausgegrenzter Minderheiten auf ziviler Ebene.

Da andererseits Ausgrenzung dieser Art nicht zu den christlichen Wurzeln unserer modernen Ethik passt, werden mittlerweile andererseits große Summen aufgewandt, um die Folgen der Ausgrenzungen zu beseitigen. Da jedoch viele Angehörige der Mehrheit, wie auch der sich untereinander nicht vertrauten Einzelminderheiten die Diskriminierungen als völlig selbstverständlich schlichtweg nicht mehr wahrnehmen, passiert nun etwas Verblüffendes:

Die in vielen Fällen noch durch völlig ineffiziente Strukturen und Korruption gesteigerten Kosten zur wenigstens teilweisen Beseitigung von Ausgrenzung werden als in der Ursache von den Minderheiten selbst zu verantworten gesehen. Die Kosten der Polizei werden den Verbrechensopfern zugerechnet. „Warum läßt du dich auch verprügeln und machst deswegen ein teures Verfahren notwendig.“ Diese Logik funktioniert nur, wenn die arrogante Mehrheit sich selbst nicht von einem Unrecht betroffen weiß und somit ihre Emphatie in Bezug auf Minderheiten ohne Bezug zu ihrem Ego kaltstellen kann.

Autismus – Das Klischee

Zitat:

Ein deutsches Sprichwort sagt: „Unter den Blinden ist der Einäugige König!“ Aber dieses Sprichwort stimmt nicht: „Unter den Blinden kommt der Einäugige ins Irrenhaus!“

Heinz von Foerster

Naja, ein einheitliches Klischee gibt es natürlich nicht, da Klischees üblicherweise keinen klar zentralen Ursprung besitzen. Dennoch gibt es wohl eine Hauptströmung:

Autisten denken nur an sich und das auf eine gemeinschaftsschädliche Weise. Sie beuten Mitmenschen aus, gehen rücksichtslos vor. Autisten sind unser aller Feinde, diejenigen die von nachhaltigem wirtschaften noch nie gehört haben. Das jedenfalls muß z.B. das Autismus-Bild der Organisation Post-autistische Ökonomie sein, die sich auch nach Hinweisen auf ihren diskriminierenden Namen nicht bereit zeigt diesen zu ändern:

Zitat:

„Die post-autistische Ökonomie ist eine im Jahr 2000 in Frankreich entstandene Bewegung von Ökonomie-Studenten, die mit der ökonomischen Lehrmeinung unzufrieden sind, da diese zu selbstbezogen, praxisfern und wirklichkeitsfremd sei.“

Autismus: Selbstbezogen, praxisfern, wirklichkeitsfremd.

In der politischen Praxis taucht Autismus als Schimpfwort auf, mit dem man sich gerne auch mal gegenseitig bezichtigt realitätsfern zu sein. Da wo jemand, der nicht aufbrausend auftritt schlecht als „emotional“ abgekanzelt werden kann, muß dann halt das Autismusklischee herhalten.

Aber sind Autisten nicht tatsächlich so? Wen es interessiert, der darf gerne auf den anderen Seiten weiterlesen.

Hier wird nun zunächst ein bisher gut gehütetes Geheimnis gelüftet: Autisten sind Menschen wie alle anderen auch.

Autismus – Der Begriff

Was ist das eigentlich für ein Name? Taugt er zur Selbstbeschreibung?

Das aus dem medizinischen Bereich stammende Wort „Autismus“ leitet sich vom griechischen „autos“ ab, was soviel wie „selbst“, „für sich“ oder „allein“ bedeutet.

Dieselbe Wortwurzel findet sich in den Begriffen „Autonomie“ (autos = selbst; nomos = Gesetz) und „Automobil“ (autos = selbst; mobilis = beweglich). „Autonymität“ als Gegenteil der Anonymität bezeichnet die Eigenschaft etwas unter dem tatsächlichen Namen zu tun (autos = selbst und onyma = Name statt an = nicht und onyma = Name). Wer „autochton“ ist, der ist alteingesessen und bodenständig (autos = unmittelbar; chthon = Erdboden, Heimat).

Die Begabung zu Selbstbesinnung kann durchaus positiv gesehen werden. Zumal innerhalb einer Gesellschaft, deren Glieder häufig darunter leiden, sich selbst zu verlieren. Der Begriff „Autismus“ ist in seiner etymologischen Natur also durchaus flexibel und besitzt regelrecht spirituelle Dimensionen. Ein Kompliment. Lediglich das noch vorherrschende Klischee dazu ist in Teilen ziemlich ärgerlich.

Sich Autist nennen – im Prinzip kein Problem.

Theory of Mind

Die Theory of Mind ist eine Bezeichnung für die Fähigkeit in der Praxis anzunehmen, daß Mitmenschen andere Kenntnisse besitzen als man selbst. Klassische Tests mit Kindern führen z.B. ein Puppenspiel auf, bei dem in eine eindeutig als solche kenntliche Keksdose ein Bleistift gelegt wird. Das Kind soll danach angeben, was eine Puppe, die das Spiel „nicht mitverfolgt hat“, wohl denken würde, was in der Keksdose wäre. Pauschalisiert ausgedrückt würden Kinder mit einer ToM antworten, daß darin Kekse vermutet würden, ein Kind, das keine in diesem Fall ausgeprägte ToM besitzt hingegen, daß darin ein Bleistift vermutet würde.

Die Unterstellung einer gering ausgeprägten ToM speziell an Autisten führt zum häufigen sachlich falschen Gebrauch von Autismus als Schimpfwort in diesem Sinne.

Tatsächlich ist nicht klar, ob Ergebnisse, die nahelegen, autistische Kinder hätten eine gering ausgeprägte ToM, schlichtweg Messfehler aufgrund Nichtverstehens der Aufgabenstellung darstellen. Allerdings ist es plausibel, daß autistische Kinder es schwerer haben, die Welt um sie zu verstehen, da diese Welt zu großen Teilen völlig andersartig veranlagt ist. Erwachsenen Autisten sollte man unterstellen können, im Besitz der ToM zu sein.

Für Autisten sollen Rituale und Gewohnheiten sehr wichtig sein, stimmt das?

Von Ärzten oder Therapeuten wird Eltern oft der Tipp gegeben, den Alltag zu ritualisieren, weil das für Autisten wichtig sei. Das ist so allgemein aber nicht richtig.

Wie kommt es zu dieser Annahme?

Autisten leben praktisch durchweg in einem chronischen Overload, da ihre Wahrnehmung sie tendentiell durchweg überfordert. Dieser Zustand setzt die Fähigkeit herab, spontan auf unvorhersehbare Situationen zu reagieren. Aus diesem Grund beobachtet man bei Autisten oft einen gewissen Grad von Standardisierung in alltäglichen Abläufen. Dadurch, daß Bereiche des Lebens als solche genau feststehen, muß man während des chronischen Overloads nicht neu überlegen, wie man das jetzt tun will.

Aus dieser Beobachtung jedoch zu schließen, daß es gut für Autisten ist, ihnen von außen einen geregelten Alltag aufzudrängen, ist eine zumindest heikle Schlußfolgerung, denn es ist auch wichtig für Autisten, diese Standards selbst setzen zu können. Insofern kann eine von außen bestimmte Ritualisierung bei Autisten auch eine zusätzliche Belastung darstellen.

Um einem Autisten zu ermöglichen, sich selbstbestimmte Standards zu entwickeln, braucht er Ruhe und die Möglichkeit, diese Standards im Alltag zu erproben. Wenn er sie selbst dauerhaft umsetzt, sollte dies unterstützt werden, jedoch nur solange kein Widerstand auftritt.

Generell braucht jede Person, die mit Autisten zu tun hat, ein besonderes Feingefühl und die Fähigkeit, offen zu sein, Zusammenhänge unter Beteiligung von scheinbar bedeutungslosen Details zu entdecken, die für die meisten Nichtautisten absurd erscheinen mögen.

Freut euch, andere Leute müssen ständig neue Krimis kaufen!

Was ist ein Overload? Ist das psychisch krank?

Autisten nehmen ihre Umgebung anders wahr als Nichtautisten. In der Regel ist ihre Wahrnehmung genauer, empfindlicher und umfassender. Ihre Fähigkeit zur Konzentration auf bestimmte Aspekte ist oft stärker ausgeprägt. Autisten haben oft sensiblere Sinne, etwa hören sie Geräusche lauter als Nichtautisten oder gar Töne mit Frequenzen, die viele Nichtautisten gar nicht hören, oder sehen Dinge und Farben intensiver. Auch schnelle Bewegungen können überfordern, etc.

Das hat zur Folge, daß Autisten mitunter von dem, was ihnen begegnet, überwältigt sind. Auch Nichtautisten kennen Situationen, in denen sie nach einen starken Eindruck nicht in der Lage sind sich zu bewegen oder sich unfähig fühlen, etwas zu beantworten. Diese Zustände erleben Autisten in einer Gesellschaft, die nicht auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet ist, häufiger und wohl auch tiefgreifender als Nichtautisten.

Da Nichtautisten meist anders wahrnehmen, können sie oft Reaktionen von Autisten nicht gut nachfühlen, nicht selten erkennen sie nicht einmal die Ursachen für die jeweiligen Reaktionen.

Unter allen Menschen gibt es verschiedene Temperamente, egal ob Autist oder nicht. Der eine ist eher cholerisch, der andere zurückhaltend und schüchtern. Daher reagieren auch Autisten in einem Overload recht unterschiedlich. Wie würden wohl Nichtautisten reagieren, wenn man sie Geräuschen aussetzt, die ihnen das Gefühl geben, ihr Trommelfell würde platzen? Wie reagieren sie, wenn das ständig passiert und keiner diese Zumutungen abstellt? Sie reagieren, wie Menschen auf solche Herausforderungen eben reagieren. Diese Reaktionen sind nicht psychisch krank, sondern in einer anderen Wahrnehmung begründet, die an sich Stärken und Schwächen beinhaltet, ebenso wie nichtautistische Wahrnehmung.

Wenn ein Autist sich benimmt „wie ein Irrer“, dann hat das seine Gründe in seiner Umgebung und in deren Abbild in seiner Wahrnehmung. Dies zu ignorieren bedeutet einem schwer leidenden Menschen die Hilfe zu verweigern und ihn weiter in einen psychischen Abgrund zu treiben.

Ein Autist leidet nie unter seiner menschlichen Veranlagung, sondern wegen äußerer Umstände.

Was ist Enthinderung?

Zitat:

In Diskussionen über Autismus und über Lebenssituationen autistischer Menschen taucht regelmäßig der Begriff „Hilfe“ auf. „Hilfe“ ist nicht selbstverständlich, sie ist ein Gefallen. „Hilfe“ suggeriert, dass man etwas bekommt, worauf man keinen Anspruch hat, und was einen im Gegenzug zur Dankbarkeit verpflichtet. Unterstützung von Autist_innen bzw. von behinderten Menschen allgemein „Hilfe“ zu nennen, macht sie zu Bittsteller_innen und erniedrigt sie. Es ist keine „Hilfe“, wenn Rollstuhlfahrer_innen Zugänge zu öffentlichen Gebäuden, Arztpraxen und Supermärkten nicht versperrt werden, sondern Enthinderung – als Gegensatz von Behinderung, die Treppen und Drehkreuze für diese Personengruppe darstellen. Enthinderung ist kein Almosen, sie sollte selbstverständlich sein. Wir sprechen daher nicht von „Hilfe“ – wir fordern Enthinderung.

http://web.archive.org/web/20080228183738/http://www.autismus-kultur.de/ak/autismus-kultur/ziele-des-projekts-autismus-kultur.html

Veraltete Quelle:

Quelle

Behinderung als Form der Diskriminierung (siehe Begriffslexikon unter „Behinderung“) ist ein Unrecht, das mittlerweile eindeutig durch das Völkerrecht geächtet wird. Entsprechend der Abkehr von anomistischem Faustrecht ist auch Enthinderung eine Frage der Selbstverständlichkeit. Mangelnde Berücksichtigung von andersveranlagten gesellschaftlichen Minderheiten ist aktive Diskriminierung und nicht mehr als „Versehen“ entschuldbar. Die Anforderung an ein Universelles Design lautet solche Diskriminierungen abzubauen.

Und: Enthinderung ist nicht die eigene Kompensation von vorhandener und unveränderter Benachteiligung aufgrund gesellschaftlicher Behinderung.

Autisten – Krank?

Oft wird heute noch behauptet, Autisten seien krank. Stimmt das?

Es stimmt ebensoviel oder -wenig, wie die Behauptung, Homosexualität oder Linkshändigkeit sei krank. Der Begriff „krank“ ist ein kultureller, kein in der Natur festgeschriebener.

Zitat:

Homosexualität wurde 1974 von der American Psychiatric Association (APA) gemäß einem Beschluss aus dem Jahr zuvor aus ihrem Krankheitenkatalog (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (kurz: DSM, damalige Auflage DSM-II) gestrichen – nicht zuletzt aufgrund der Forschungsergebnisse von Evelyn Hooker. Zuvor galt Homosexualität als psychische Störung.

Quelle

Jedoch abgesehen von der philosophischen Einordnung sollte sich jeder klarmachen, daß solche Benennungen auch gesellschaftliche Macht widerspiegeln. In Bezug auf Autismus ist der Begriff „krank“ daher eindeutig von Feindlichkeit gegenüber Andersartigem geprägt (Xenophobie). Wer Autisten oder Autismus als „krank“ bezeichnet, outet sich also gewissermaßen selbst als krank oder zumindest unreflektiert.

Auch Homosexuellen wurde wie heute Autisten unterstellt, sie seien weniger leistungsfähig, eine Ansicht, die heute vermutlich fast jeder als absurd betrachten würde:

Zitat:

Und 1935 schrieb er in einem Brief an eine Mutter, daß auch Homosexuelle – durch eine Analyse – zu „Harmonie, Seelenfrieden und volle[r] Leistungsfähigkeit“[24] gelangen können.

ebenda

Krank machte Homosexuelle nicht ihre Homosexualität, sondern die gesellschaftliche Ausgrenzung. Auch bei Autisten verhält sich dies im Wesentlichen nicht anders.

Ähnliches galt ebenfalls vor nicht allzu langer Zeit auch für Frauen, die man nicht für krank sondern oft gleich komplett minderbemittelt hielt:

Zitat:

In Berlin regiert zu jener Zeit der Kaiser, in Paris staunt man über den Eiffelturm, in London sorgen die ersten U-Bahnen für Aufsehen – und Frauen müssen enge Kleider tragen, dürfen nicht studieren und nicht ohne Erlaubnis ihrer Männer arbeiten, kein eigenes Vermögen haben, geschweige denn wählen. Junge Mädchen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert werden in martialische Korsetts geschnürt und auf den einzigen Sinn ihres Lebens vorbereitet: Sie sollen möglichst gut verheiratet werden. Man hält sie für körperlich schwach und nicht zu intellektueller Leistung befähigt.

Quelle

Thomas von Aquin, einem der bedeutendsten Philosophen, werden u.a. die folgenden Aussagen zugeschrieben (von uns bisher nicht verifiziert!):

Zitat:

Die Frau ist ein Missgriff der Natur […] eine Art verstümmelter, verfehlter, misslungener Mann […] die volle Verwirklichung der menschlichen Art ist nur der Mann.

Zitat:

Mädchen entstehen durch schadhaften Samen oder feuchte Winde.

Die Weltgesundheitsorganisation ist derzeit noch nicht bereit diesen schon lange überfälligen Erkenntnisschritt mitzugehen und verweigert sich innerhalb der UN-Teilorganisationen den Werten der ansonsten als neuen Wertmaßstab anerkannten UN-Behindertenrechtskonvention. Auch durch diesen offenen Bruch mit zeitgemäßen Menschenrechtsvorstellungen können die Maßstäbe der WHO mitsamt ICD, ICF, etc. aktuell gesellschaftlich nicht mehr als entscheidend betrachtet werden. Die Zeit, in der Ärzte von Heilern immer mehr zu Waidmännern der Menschheit mutierten, steht hoffentlich vor ihrem Ende, so wie die WHO sich den wissenschaftlichen Erkenntnissen der letzten Jahrzehnte nicht weiter auf grundlegender Ebene verweigern kann. Auch die Gesellschaften im deutschsprachgen Raum stehen noch vor dem weltanschaulichen Umbruch erkennen zu lernen, daß Mediziner von ihrer Fachrichtung her gar nicht dazu in der Lage sind über grundlegende gesellschaftliche Fragen zu entscheiden, in denen man sie trotz vergangener Entgleisungen bisher dennoch weiter aus Gewohnheit gewähren ließ. Wir machen hier den nötigen Anfang.

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