Autismus - ohne wäre die Normalität gestört

 

 

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Hungerkost 2022

Die aktuelle deutsche Bundesregierung redet zur Zeit viel über ihr Vorhaben ALG2 ab Januar 2023 in ein „Bürgergeld“ umzuwandeln. Die laut unserem Kenntnisstand bisher noch recht vagen Ankündigungen versprechen weniger Sanktionen. Aus diesem Anlaß möchten wir nach einer Zeit der – aufgrund unserer starken Gewichtung direkter Selbsthilfetätigkeit – aufsummierten Vernachlässigung der Artikelerstellung einen Fall aus dem Jahr 2022 in seinem Ablauf darstellen, den die ESH begleitete.

Wir wählen eine strikt chronologische Auflistung aus breiter Unterlagenbasis um ein möglichst umfassendes Gesamtbild zu eröffnen und eine Vorstellung davon zu vermitteln, welcher enormen – lebensbedrohenden – Belastung ein Autist noch immer ausgesetzt werden kann, wenn er in Deutschland einfach nur einmal auf seinem Menschenrecht auf Barrierefreiheit besteht.

Wir vermuten, solche Fälle werden auch nach den Ankündigungen weiter vorkommen, schon da sie dort vermutlich offiziell gar nicht in die Kategorie „ALG2-Sanktion“ sondern unter „Antrag abgelehnt“ fallen, obwohl hier faktisch die Leistungen über lange Zeit komplett in erschütternd breit praktizierter Ignoranz gegenüber geltendem Recht – oder selbst situativ klar angezeigter, halbwegs gebotener Kommunikation darüber – verweigert wurden, weil offensichtlich schon durchweg kein Erwägen genannter Argumente in angemessener Weise erfolgt war.

Der betreffende Antragsteller absolvierte bis vor ca. 10 Jahren bei damals bereits vorliegender Autismusdiagnose einen Ganztages-Sonderausbildungsweg mit kleinen Berufsschulklassen und von 3 auf 5 Jahre gedehnter Ausbildungsdauer. Von Beginn der Erwerbstätigkeit an war er in Teilzeit berufstätig und ließ die Stundenzahl während der Erwerbstätigkeitszeit weiter reduzieren, weil er auch dieses Pensum nicht schaffte. Schließlich wirkte auch ein Pensum von 3 Stunden pro Tag auf ihn nicht mehr leistbar. Es wurde eine Burnoutdiagnose (formal: F32.1 = mittelgradige depressive Episode; G = gesicherte Diagnose Richtung „Burnout“) gestellt. Das Erwerbsbeschäftigungsverhältnis endete.

Direkte Zitate aus Schriftsätzen wurden teils in für die Sachverhalte selbst unwesentlicher Weise editiert (Beispiel: „Jobcenter“, statt „Antragsgegnerin“ oder „Beklagte“), sich ähnlich wiederholende Inhalte und einige inhaltliche Nebenpunkte zwecks Verbessererung der Lesbarkeit umfassend weggelassen. Der ESH liegen sämtliche Unterlagen in Kopie vor.

Tag 1

Per unverschlüsselter Email erfolgt eine Arbeitslosmeldung an die Arbeitsagentur in Ort 1 vor dem absehbaren Ende des Beschäftigungszeitraums. Es wird ein ALG2-Antrag ab diesem Endzeitpunkt gestellt und als Formular mitgesandt. Zusätzliche Unterlagen werden als Scandateien an die Email angehängt.

Tag 2

Die Arbeitsagentur antwortet per Email, der ALG2-Antrag sei an die zuständige Stelle weitergeleitet wurden. „Bei erneuten Anfragen wenden Sie sich bitte direkt an diese E-Mail-Adresse.“ In dieser Email wird „diese E-Mail-Adresse“ jedoch nicht mitgeteilt und geht auch nicht aus dem Kopf der Email der Arbeitsagentur hervor.

Tag 3

Nachfrage per Email bei der Arbeitsagentur nach der Emailadresse, an die künftige Anfragen gerichtet werden sollen. Beigefügt wird ein Erstattungsantrag zu bereits selbst beschafftem Heizmaterial (stark steigende Energiepreise und zunehmende Lieferschwierigkeiten bei Heizmaterial sind zu diesem Zeitpunkt bereits greifbar).

Tag 12

Tag 15

Tag 22

In einem auf Tag 17 datierten Bescheid von Jobcenter-Person Nr. 4 werden die beantragten ALG2-Leistungen „ganz versagt“. Begründung: Der ID-Termin sei „nicht wahrgenommen“ worden. Es sei dadurch Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen worden. Daher könne der Anspruch nicht geprüft werden. Es seien dem Jobcenter keine Gründe mitgeteilt worden, die im Rahmen einer Ermessensentscheidung günstig berücksichtigt hätten werden können. „Nach Abwägung des Sinns und Zwecks der Mitwirkungsvorschriften mit Ihrem Interesse an den Leistungen, sowie dem öffentlichen Interesse an Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, werden die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch [sic!] für Sie ganz ab 1. Juli 2021 [sic! – ein alter nicht modifizierter Textbaustein aus einer früheren Sache des Jobcenters zu einem ganz anderen Antragsteller?] versagt (§66 SGB1)“ Im Falle einer nachträglichen Mitwirkung würden die Leistungsvoraussetzungen nochmals überprüft. Der Krankenversicherungsschutz sei unabhängig vom Leistungsbezug weiterhin gewährleistet.

Tag 25

Tag 31

Email an das Jobcenter: Die Mitteilungen der Antwortmail von Tag 12 werden weiter ausgeführt. Es wird zudem mitgeteilt, daß Versuche sich auf der verlinkten Amtsplattform zu registrieren erfolglos blieben. Daher bleibe als Kommunikationsweg nur der Postweg oder Kommunikation per Email, die auch schneller sei.
Weiter wird ausgeführt, es gehe bei dieser Frage um die Herstellung von Barrierefreiheit, weswegen nicht Maßstäbe wie für jedermann angelegt werden dürfen. Dem Amt wird eine ausdrückliche Erlaubnis übermittelt per Email zu antworten. Mit begleitenden Anmerkungen beigefügt wurde auch eine zurückliegende ärztliche Krankschreibung wegen Burnout.

Tag 32

Es werden in Eigeninitiative aufgrund des Gefühls, daß es an diesem Tag, im Moment jetzt zu diesen Uhrzeiten möglich sei, zwei Versuche unternommen beim Sozialamt des baulich offener gestalteten örtlichen Landratsamtes schnell eine ID-Prüfung durchführen zu lassen und ein entsprechendes Bestätigungschreiben von dort zu erhalten. Dazu wurde vorher das Anliegen auf Papier aufgeschrieben und keine weitere Kommunikation in der Situation vorgesehen, beziehungsweise gedanklich eingeplant, weil zu überlastend. Beide Versuche scheiterten beim „abbügelnden“ Empfangspersonal.
Ein dritter Versuch in einem allgemeinen Bürgerbüro scheiterte an Angstgefühlen des Antragstellers, erbrachte jedoch eine Rolle Gelber Säcke.

Tag 42

Widerspruch gegen den auf Tag 17 datierten Bescheid, Argumentation abgesehen von Wiederholungen: Erhalt hier ganz versagter Leistungen zur Sicherung des Lebenssunterhaltes stelle einen grundrechtlichen Anspruch dar. Der Termin sei abgesagt worden, da vom Jobcenter weder in gebotener Eile – in Folge des selbst kurzfristig angesetzten Temins – noch inhaltlich angemessen auf erfolgte Hinweise reagiert worden sei. Der Termin habe unter diesen Umständen auch wegen durch vermeidbares Vorgehen des Amtes mitherbeigeführter situativer Angst- und Panikgefühle aufgrund der Unsicherheit der Situation nicht wahrgenommen werden können.
Die Behauptung nicht per Email antworten zu dürfen sei in dieser speziellen Situation unter dem Aspekt der Barrierefreiheit falsch, im Gegenteil sei das Amt dazu verpflichtet gewesen in einem solchen vorliegenden Fall umgehend per Email zu antworten. Da das Amt dies nicht tat, treffe es auch das Verschulden hinsichtlich der als Ergebnis daraus vorgenommenen Terminabsage. Daher sei auch die Versagung der Leistungen rechtswidrig. Es sei ein einschlägiger behindertenrechtlicher Grundsatz, daß der Behinderte die Art der Umsetzung von Barrierefreiheit bestimme und er nicht genötigt werde, sich mit Spezialplattformen einzelner Behörden befassen zu müssen um Zugang zu hier grundrechtlichen Ansprüchen erhalten zu können. Es sei unverzüglich Kommunikation per Email aufzunehmen. Die Behauptung, es seien keine Gründe mitgeteilt worden, die eine andere Ermessensentscheidung ermöglicht hätten, wirke regelrecht bizarr.

Tag 47

Tag 52

Am Abend wird ein auf Tag 50 datiertes Schreiben vom Jobcenter-Person 5 vorgefunden, welches einen Hausbesuch zwecks ID-Prüfung zwischen 9 und 12 Uhr an Tag 52 ankündigte.

Tag 53

Email an das Jobcenter mit Bezug zu deren auf Tag 46 datiertes Schreiben (siehe Tag 47 Absatz 1): Es sei aufgefordert worden, bei der Arbeitsagentur in Ort 2 vorrangige Leistungen zu beantragen. Zitat aus diesem Schreiben: „Aufgrund Ihrer gesetzlichen Verpflichtung, vorrangige Leistungen in Anspruch zu nehmen, bin ich außerdem berechtigt, den Antrag ersatzweise für Sie zu stellen …“ Aufgrund von Problemen Anträge fehlerfrei zu stellen wird das Jobcenter gebeten diesen Antrag zu stellen. Es wird um Rückmeldung per Email gebeten.

Tag 56

Email an das Jobcenter mit Bezug auf den Vorgang an Tag 52. Es werden Passagen aus zurückliegenden Mails zitiert und neu u.a. folgende Passagen mitgeteilt: „ich möchte auf ein paar wichtige Dinge hier eingehen, die in Zukunft berücksichtigt werden sollten. […] Ich weise erneut darauf hin, dass es für mich unzumutbar und sehr belastend im Sinne von Barrierefreiheit entgegenwirkenden Barrieren ist, kurzfristig angesetzte Termine zu einer ID-Prüfung wahrzunehmen. Dies ändert nichts daran, dass bei einem erneuten Termin nur der Ort gewechselt wird im Sinne von Hausbesuchen zu einer ID-Prüfung. […] Wie ich feststellen musste, wurde dieser schriftliche Weg der email-Kommunikation oder per Brief im Sinne einer inhaltlichen Terminvorbereitung, nicht nur einer erneuten Terminfestsetzung durch Ihre Behörde wie erforderlich nicht eingehalten. Statt Terminvereinbarungen, die für mich nicht zu kurzfristig angesetzt werden sollten, mit mir per email zu handhaben, wurde erneut ein kurzfristiger Termin zu einer ID-Überprüfung bestimmt (nur an einem anderen Ort), den ich auch alleine wegen der Kurzfristigkeit hier nicht einhalten und auch nicht vorher absagen konnte. […]
Es ist stark belastend für mich, wenn ich davon ausgehe, dass Personen aus Ihrem Amt ohne vorherige Absprache versuchen würden mich aufzusuchen, um mich eventuell zu überrumpeln und eventuell ein mündliches Gespräch von mir abzuverlangen oder irgendwie mich in ein mündliches Gespräch zu verwickeln.
Das darf nicht vorkommen!
Nur, weil der Ort des Termins ein anderer Ort gewesen war, heißt es nicht, dass meine Panik- und Angstzustände vor solchen Terminen verschwunden sind. Die Unsicherheiten der Situation, wie bei einem solchen ID-Termin vorgegangen würde, sind weiterhin existent.
Ich muss Sie darauf dringendst hinweisen, dass ich eine Art Defizit habe, was die soziale mündliche Sprachkommunikation betrifft. Mündliche Kommunikation ist mit mir nicht umfassend möglich. Besonders dann nicht, wenn ich erwarten muss, durch unerwartet kommende mündliche Fragen bei einem Termin einer ID-Prüfung vor Ort überrascht würde und mich zu einer schnellen mündlichen Interaktion gezwungen sehen würde zu antworten.
Da ich fürs mündliches Antworten mehr Zeit zum Überlegen benötige, und in normalen Fällen die Leute nicht darauf eingestellt sind lange abzuwarten, steigt der Druck in mir zu antworten. Gleichzeitig denke ich nach, was ich antworten soll und indessenfolge bin ich bei einer mündlichen Kommunikation nicht richtig fähig, umfassende Antworten zu bringen.
Daher, wenn so eine ID-Prüfung erfolgreich gelingen soll, müssen einige Punkte zwingend beachtet werden:

Tag 61

Tag 62

Per unverschlüsselter Email wird ein neuer zweiter ALG2-Antrag gestellt und als Formular mitgesandt (der erste nur mit neuer Unterschrift samt neuem Datum). Auch zusätzliche Unterlagen werden als Scandateien an die Email angehängt.

Tag 63

Per Email an die Arbeitsagentur in Ort 2 wird unter Verweis auf das Jobcenter ALG1 beantragt. Es wird darauf hingewiesen, daß dazu keine Formulare im Internet aufgefunden worden seien und falls erforderlich daher solche zum Ausfüllen zugeschickt werden sollen.

Tag 65

Tag 66

Emailantwort der Arbeitsagentur bezogen auf die Rückantwort von Tag 65. Das Anliegen habe noch nicht abschließend bearbeitet werden können. Leider sei man telefonisch nicht erreicht worden.
„Bitte haben Sie Verständnis, dass Ihr Anliegen aus Gründen des Datenschutzes nicht per E-Mail bearbeitet werden kann.
Setzen Sie sich daher bitte (gern auch mit einer Person, die das Gespräch führen kann) unter der unten angegebenen Servicerufnummer mit uns in Verbindung.“

Tag 75

Ein ausgefüllter Gesundheitsfragebogen wird in den Briefkasten des Jobcenters eingeworfen.

Tag 79

Email an die BKK: „Ich bin damit einverstanden, dass Sie die Agentur für Arbeit [in Ort 2] anschreiben und an die Anmeldung meines ALG1 Antrages erinnern und sich dies bestätigen lassen.“

Tag 80

Email der BKK: „Da wir auf unsere Mail [von Tag 61] keine Antwort von Ihnen erhalten hatten, haben wir [an Tag 73] bereits das JobCenter angeschrieben. So wie es jetzt aussieht, haben Sie nun aber doch Arbeitslosengeld I und nicht Arbeitslosengeld II, wie mitgeteilt, beantragt. Wir werden demnach noch einmal das für Ihre Postleitzahl zuständige Arbeitsamt anschreiben.“

Tag 84

Tag 85

Emailantwort der BKK: „Notfalls müssten Sie dann mit dem Beitragsbescheid beim Sozialamt vorsprechen, wenn Sie selbst nichts zahlen können. Wir warten nun aber erst einmal ab.“

Tag 87

Die Bemühungen der ESH haben die üblichen Absagen ergeben, jedoch auch zwei Rückmeldungen, die grundsätzlich ersteinmal Bereitschaft ausdrückten die Sache eventuell zu übernehmen. Ein Anwalt davon antwortete schnell und inhaltlich soweit erstmal zufriedenstellend per Email. Der zweite Anwalt ging in seiner ersten Reaktion gar nicht auf die Frage nach barrierefreiem schriftlichen Kontakt mit dem potenziellen Mandanten ein. Die Vertretung wurde Anwalt 1 anvertraut, der soweit einen nicht offensichtlich heiklen Eindruck erweckte und dessen Kommunikationsstil soweit auch recht sachlich wirkte, der von Anwalt 2 hingegen eher emotional-gefühlig.

Tag 98

Ein auf Tag 92 datiertes Schreiben von BKK-Person 1 geht ein, dem ein auf Tag 86 datiertes Schreiben der Arbeitsagentur in Ort 2 angefügt ist. In diesem Schreiben gibt die Arbeitsagentur der BKK die Auskunft, daß weder eine Arbeitslosmeldung vorgenommen, noch ein Antrag gestellt worden sei. Vom Jobcenter liege keine Rückmeldung vor. Die BKK könne nicht so lang abwarten, weswegen nun ein Antrag auf freiwillige Weiterversicherung beigefügt werde. Dieser solle laut BKK ausgefüllt zurückgesandt werden.

Tag 99

Email an das Jobcenter, Person 7, zum Thema Terminvorbereitung: „Von Ihnen erreichte mich zwischenzeitlich keine neue Nachricht.
Soll bei einem Vororttermin bei Ihnen mit mir mündlich gesprochen werden? Dies wäre im Vorfeld zu klären, denn da ich autistisch bin, führen solche Unklarheiten über das zu Erwartende, das von Ihnen Geplante, wie Sie sich mir gegenüber verhalten werden, zu Angst- und Panikgefühlen, die es mir unmöglich machen zu einem solchen Termin körperlich in Ihre Behörde zu kommen. Falls Sie beim Termin mit mir kommunizieren wollten, wie Ihre Einladung nahelegen könnte, müßte dieser Kommunikationsteil im Rahmen der barrierefreien Umsetzung entsprechend BGG und KHV schriftlich geschehen, während ich mich zuhause in vertrauter Umgebung befinde. Sie sollten hieraus sehen, dass es Teil einer barrierefreien Lösung des Zugangs zu Ihrer Behörde sein muss, vorher schriftlich, z.B. per Email, darüber zu kommunizieren, was von Ihnen her geplant wird und ob Sie genügend die Erfordernisse bei einem solchen körperlichen Termin mit mir verstanden haben.
Eine realistische, vereinfachende weitere mögliche Lösung zur ID-Prüfung könnte sein, mir ein Schreiben zur Verfügung zu stellen, das bei jeder deutschen Behörde vorgezeigt werden könnte und diese auffordert, die ID-Prüfung dort ohne vorher vereinbarten Termin und Wartezeiten nach meinem Erscheinen umgehend vorzunehmen und die erfolgreiche ID-Prüfung nach Ihren mir bisher nicht im Detail bekannten – von Ihnen in Ihren Schreiben für die andere Behörde hinreichend genau zu benennenden – Anforderungen dann schriftlich in einem Schreiben der anderen Behörde an Ihre Behörde für mich kostenfrei zu bescheinigen.“

Tag 100

Tag 102

Tag 103

Tag 104

Ein auf Tag 99 datierter Brief der seit Jahren kontoführenden Sparkasse geht ein: Der Rahmen der eingeräumten Kontoüberziehung von 500€ sei auf über 1000€ überschritten. Es wird gebeten das Konto bis Tag 113 auszugleichen. „Sollte dieser Ausgleich momentan für Sie nicht möglich sein, setzen Sie sich bitte in den nächsten Tagen mit uns in Verbindung. Sicherlich finden wir gemeinsam eine Lösung.“

Hintergrund: Da ALG nicht ausgezahlt wurde, wird Nahrung etc. notgedrungen mittels Kontoüberziehung und Kreditkarteneinsatz erworben. Der Vermieter erklärte sich dankenswerterweise bereit wegen der durch die Amtsschreiben belegten offensichtlich unverschuldeten Umstände die Vorgänge ersteinmal bis auf Weiteres mit Mietzahlungsmahnungen abzuwarten.

Tag 107

Tag 109

Tag 110

Tag 111

Tag 113

Tag 118

Ein auf Tag 113 datiertes Schreiben des Sozialamts geht ein: Der Antrag auf die Übernahme der von der BKK eingeforderten Krankenkassenbeiträge von Tag 108 werde zuständigkeitshalber an das Jobcenter weitergeleitet.

Tag 121

Die GEZ dankt für die Mitteilung. Es würden Unterlagen benötigt, die die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nachweisen (Bewilligungsbescheid). Der Nachweis sei innerhalb von zwei Wochen nachzureichen.

Tag 122

Tag 124

Tag 133

Per Email wird eine öffentliche Schuldnerberatungsstelle (Landkreisamt) kontaktiert: „aufgrund unvorhersehbarer Einkommensausfälle bin ich ohne eigenes Verschulden seit nun fast 5 Monaten ohne Einkommen. Zunächst nahm ich vorübergehende Verzögerungen an. Mittlerweile liegt die Sache bei Gericht. Aktuell sieht es eher nicht nach einer schnellen Lösung aus. In der Folge dessen ist mein Konto bei der Sparkasse aktuell stark überzogen und momentan kann ich nichts zurückzahlen, da ich nur noch aktuell 39cent in bar habe. Leider weigert sich die Sparkasse den Überziehungsbetrag (13,x% Spitzenzins!) in einen Kleinkredit zu angemessenem Zinssatz umzuwandeln. Könnten Sie mir dabei helfen bereits frühzeitig hier eine Anhäufung von Zins und Zinseszins zu derart über Marktniveau liegenden Zinsen zu vermeiden?“

Tag 135

Tag 137

Tag 138

Tag 139

Tag 145

Tag 148

Tag 149

Tag 153

Tag 154

Tag 156

Tag 157

  1. Möchte ich Sie ergänzend auch noch darauf hinweisen, daß pauschale Mahnkosten rechtlich nicht zulässig sind (siehe z.B. BGH, 26.06.2019, VIII ZR 95/18). Insofern dürfen Sie sich bei weiterem Beharren auf diese rechtswidrigen Mahnkosten darlegen welche genauen Kosten Ihnen durch Ihre Mahnung entstanden sind.
  2. Dürfen Sie mir gerne erläutern, wie ihre kryptische Mitteilung „Unterlassen Sie es aber bitte, uns permanent zu etwas aufzufordern“ genau zu deuten ist.“

Tag 158

Emailantwort BKK-Vorgesetzter: „Ich möchte Sie nochmals abschließend darauf hinweisen, dass bisher noch keine Beiträge gezahlt wurden. Wir als Krankenkasse sind gesetzlich dazu verpflichtet, bei Nichtbezahlung der Beiträge das Vollstreckungsverfahren einzuleiten. Bitte überweisen Sie uns die ausstehenden Beiträge. Sollte dies nicht möglich sein, setzen Sie sich bitte bezüglich einer Ratenzahlung kurzfristig mit uns in Verbindung.“

Tag 159

Tag 160

Schriftsätze des Anwalts:

Tag 164

Tag 166

Tag 168

Übermittlung verschiedener Schreiben durch die Anwaltskanzlei:

Tag 169

Tag 174

Tag 175

Der Anwalt teilt mit ein Telefongespräch mit Jobcenter-Person 3 habe ergeben, daß der Termin an diesem Tag aufgehoben worden sei.

Tag 176

Tag 177

Tag 178

Tag 180

Jobcenter-Person 14 teilt in einem Schreiben von Tag 178 die nun offenbar zumindest bei irgendwem irgendwo dort korrekt gespeicherten neuen Kontodaten mit.

Tag 185

Über die Anwaltskanzlei geht ein auf Tag 177 datierter Schriftsatz des Jobcenters zum Eilverfahren ans Sozialgericht ein: „Hierzu wird gebeten, nachzuweisen und zu belegen, dass der Antragsteller hinsichtlich des Kontos bei der Sparkasse tatsächlich keinerlei Verfügungsbefugnis hat bzw. dass eine solche ihr zwischenzeitlich auch nicht wieder eingeräumt worden ist.“ In einem zweiten auf Tag 179 datierten Schreiben des Sozialgerichts wird gebeten eine solche Bestätigung innerhalb einer Woche zu erbringen.

Tag 186

Tag 189

Tag 194

Der Anwalt erklärt gegenüber dem Sozialgericht die Erledigung in der Hauptsache, nachdem an Tag 188 auf dem neuen Konto ein Eingang von knapp 3400€ festgestellt werden konnte, die von der Sparkasse dorthin überwiesen wurde, nachdem das Jobcenter offensichtlich die knapp 5000€ an das bekanntermaßen nicht mehr aktuelle Sparkassenkonto überwiesen hatte, das im ursprünglichen ALG2-Antrag genannt worden war. Vor der Weiterleitung bediente sich die Sparkasse hinsichtlich ihrer Forderungen, wobei bedacht werden muß, daß von der Summe auch noch Wohnkosten gezahlt werden mußten. Die Sparkasse nahm hier sozusagen in Kauf, daß der ehemalige Kunde wegen weiteren zu umfangreichen Verzögerungen bei Mietzahlungen doch noch seine Wohnung verliert.

Nachbetrachtung

Die deutschen Steuer- und Beitragszahler haben in diesem Fall soweit rekonstruierbar eine vierstellige €-Summe an Kosten der juristischen Verfahren getragen (formal das Jobcenter). Soviel also diesbezüglich zum „öffentlichen Interesse an Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“. Wie es ohne das Einlenken dieses Jobcenters wohl weitergegangen wäre? Das Sozialgericht hatte bis zu diesem Zeitpunkt soweit erkennbar gar nichts getan als Schreiben hin und her weiterzuleiten und einige eher formalistische Fragen zu stellen.

Wieviel % der ähnlich veranlagten Autisten halten soeine Situation wenigstens solange überhaupt durch? Eventuell unter noch schlechteren Rahmenumständen? Ohne Unterstützung? Im Grund würden wir uns auch ausgehend von dieser Erfahrung wundern, wenn in 2022 nicht mehr als 100 Menschen wegen solcher Probleme gestorben sind. Wie wird soein Tod wohl registriert? „Tod wegen schweren psychischen Problemen“, wieder mal als Folge von Personeneigenschaften? Es kann erahnt werden, wieso es zu etlichen relevanten Barrierefreiheitsumständen für Autisten bisher nur wenige Urteile gibt.

Was hat sich überhaupt in den letzten Jahren verbessert? Durch erstrittene Beispielentscheidungen wie der BSG-Entscheidung, die auch in diesem Vorgang eine rechtlich wohl mitentscheidende Rolle spielte bestehen wenigstens deutlich Chancen mit Brechstangeneinsatz und genügend Nerven in unteren Gerichtsinstanzen doch noch zu seinem Recht zu kommen. Dazu braucht es weiterhin auch die von euch, die zusammen mit der ESH für die eigenen angemessenen Rechte einzustehen bereit sind, statt sich kaputtmachen zu lassen, auf Vieles zu verzichten oder sich rechtswidrig in Fremdbestimmung treiben zu lassen. Das kostet oft viele Nerven, nutzt auf lange Sicht jedoch in der Zukunft vielen anderen Autisten und deren heute oft noch sehr angegriffenen Lebensqualität u.a. aufgrund chronischer Überlastung aufgrund ständiger barrierehaltiger Lebensumstände und so weiter.

Aber der vorliegende Fall zeigt klar, daß es hier auch im Jahr 2022 nicht um vereinzelte Verfehlungen geht, sondern wohl um verbreitet verinnerlichte behindertenfeindliche Haltungen. Wenn das der Kanzler wüßte! Oder steckt ein sinngemäß eugenischer Plan dahinter, der wegen weiterhin intakter Breitenwirkung gar nicht gestört wird von einigen Aktivisten, die mit hohem Aufwand einige Einzelfallvernichtungen hier und da „aufhalten“?

Therapiefreiheit gilt auch bei ALG2

Zitat:

Im vorliegenden Verfahren ist die Verpflichtung des Antragsstellers zur Durchführung einer psychiatrischen Behandlung zur Verbesserung seiner Leistungsfähigkeit wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz rechtswidrig. Die Kammer kann bereits nicht erkennen, dass die zwangsweise Verpflichtung zur Vornahme einer solchen medizinischen Behandlung ein geeignetes Mittel darstellt, um die Leistugnsfähigkeit des Antragsstellers zu verbessern. Der Antragsteller sieht selbst nämlich keine Notwendigigkeit für eine derartige Behandlung und ist mit einer solchen Maßnahme nicht einverstanden. Für den Erfolg einer psychiatrischen Behandlung dürfte jedoch die freiwillige Teilnahme und die aktive Mitwirkung des Betroffenen Voraussetzung sein. Beides ist vorliegend (noch) nicht gegeben.Unabhängig davon ist die Verpflichtung jedoch auch nicht zumutbar im engeren Sinne. Der mit der Behandlung verfolgte Zweck – die Verbesserung der Leistungsfähigkeit zum Zwecke der besseren Eingliederung in Arbeit – steht außer Verhältnis zu dem damit verbundenen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Antragsstellers. Die Annahme eines sanktionsbewehrten Zwangs zu vollständigen Wiederherstellung der Gesundheit und Verbesserung der Belastbarkeit greift in erheblichen Maße in das Selbstbestimmungsrecht und die Integrität des Antragstellers nach Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein. Mangels gesetzlicher Grundlage kann dieser Eingriff mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit nicht gerechtfertigt werden. Der Antragsteller muss autonom entscheiden können, ob bzw. wann er sich wegen gesundheitlicher Einschränkungen in ärztliche bzw. psychiatrische Behandlung begibt (in diesem Sinne auch SG Braunschweig, Beschluss v. 11.9.2006, S 21 AS962/06 ER, zit. nach http://www.eloforum.org). Der Antragsgegner kann insoweit lediglich (Beratungs-)Angebote unterbreiten. Eine allgemeine Verpflichtung des Leistungsempfängers zur Gesunderhaltung bzw. Gesundung besteht nicht, auch nicht aufgrund des Selbsthilfegebots nach § 2Abs. 1SGB II.

Quelle: SG Schleswig S 16 AS 158-13 ER

Das betreffende Jobcenter hatte versucht den Leistungsempfänger per Eingliederungsbescheid zu einer von ihm abgelehnten Therapie zu zwingen.

Urteil: Arbeitslose darf wegen Mietzahlungsverzug der ARGE aus der Wohnung geworfen werden

Welcher Arbeitslose kennt sie nicht, die geradezu typische und „rein zufällig“ abschreckende Unzuverlässigkeit und mitunter rätselhaften Verhaltensweisen der ARGEn und Arbeitsagenturen eben auch wenn es darum geht Summen pünktlich und dauerhaft korrekt zu zahlen. Praktiker wissen, daß dies im Rahmen einer scheinbar systematischen Schikanepolitik fast gar nicht verhindert werden kann. Nun hat das LG Bonn in seinem Urteil vom 10.11.2011; Az. 6 T 198/11 entschieden, daß einer Arbeitslosen (unten „Beklagte“ genannt) zu Recht gekündigt wurde, weil sie nicht beweisen konnte alles getan zu haben um die ARGE dazu zu bewegen die Miete pünklich zu zahlen.

In dieser Konstellation ist ein entscheidender Faktor gewesen, daß die Miete von der ARGE offenbar aus unerfindlichen Gründen plötzlich nicht mehr direkt an den Vermieter gezahlt wurde. Wer also bewußt die Miete über das eigene Konto zum Vermieter lotst (wofür es ja durchaus gute Gründe geben kann) sollte besonders peinlich genau darauf achten Beweise dafür zu sammeln sich im o.g. Sinne bemüht zu haben, wenn die ARGE nicht früh genug zahlt. Wie diese Pflicht in Anbetracht der Kommunikationsbarrieren für Autisten auszulegen ist, ist auch der ESH unklar. Es dürfte jedoch naheliegen sich jeweils auf später nachweisbare Weise per Fax zu beschweren und dabei die „richtigen“ Fragen im unten zitierten Sinne zu stellen.

Im einzelnen aus dem Urteil:

Zitat:

Die Kammer hält insoweit an ihrer bereits im Beschluss vom 09.07.2010, 6 T 144/10, geäußerten Rechtsauffassung fest, die im Einklang mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur steht, wonach der Verzug trotz des bestehenden Beschaffungsrisikos ausnahmsweise nicht zu vertreten ist, wenn der Mieter objektiv und schuldlos an der Zahlung verhindert ist (vgl. Schmidt-Futterer-Blank, 10. Auflage, § 543, Rn. 96 m. w. N.), auch wenn der Kündigungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB in der Regel die Berücksichtigung von persönlichen Umständen und Zumutbarkeitserwägungen nicht zulässt (BGH ZMR 1987, 289). Als Ausnahmefall wurden von der Rechtsprechung insoweit z. B. die Verhinderung des Mieters aufgrund einer plötzlichen Erkrankung und die rechtzeitige Erteilung eines Überweisungsauftrags bei Nichtausführung durch die Bank trotz Kontodeckung anerkannt. Die Kammer ist der Ansicht, dass diesen Fällen der Fall gleichzustellen ist, in dem der im Leistungsbezug der ARGE stehende Mieter alles ihm Obliegende und Zumutbare getan hat, um die ARGE zur pünktlichen Zahlung der geschuldeten Mietzinsen an den Mieter zu veranlassen (wobei zu diesen Obliegenheiten ggf. auch gehört, die Miete pünktlich an den Vermieter weiterzuleiten, soweit keine Direktzahlung an den Vermieter erfolgt, sondern die ARGE zuerst an den Mieter zahlt).[…]

Nach diesen Voraussetzungen hat die Beklagte nicht substantiiert dargelegt und schon gar nicht bewiesen, dass sie alles ihr Obliegende und Zumutbare getan hätte, um die ARGE zur pünktlichen Zahlung zu veranlassen.

Unstreitig zahlte die ARGE die Miete vorliegend direkt an die Klägerin. Es ist jedoch nicht konkret von der Beklagten vorgetragen worden, warum die ARGE nicht stets pünktlich zahlte und inwieweit die Beklagte alles ihr Obliegende und Zumutbare getan hätte, um dies zu verhindern. Es wird nicht konkret dazu vorgetragen, warum die ARGE nicht pünktlich zahlte, so dass nicht bewertet werden kann, ob dieses Verhalten der ARGE objektiv fehlerhaft ohne Zutun der Beklagten war. Zwar kündigte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom …05.2011 an, dass er sich erkundigen wolle, weshalb für Februar bis März 2011 gar nichts gezahlt worden sei, erklärte dann aber mit Schriftsatz vom …07.2011 lediglich pauschal, dass die Beklagte den Zahlungsverzug nicht zu vertreten habe. Mit Schriftsatz vom …07.2011 wurde vorgetragen, dass sich der Grund der nicht pünktlichen Zahlung der Kenntnis der Beklagten entziehe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 03.08.2011 erklärte die Beklagte sodann im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung, dass sie „jeden Tag bei der ARGE gewesen sei“ und „denen gesagt habe, dass das überprüft werden müsse“. Die ARGE habe ihr gesagt, dass die Miete versehentlich auf ihr Konto überwiesen worden sei. Sie habe deswegen ihre Kontoauszüge mitgebracht, auf denen aber zu sehen gewesen sei, dass dem nicht so gewesen sei. Das sei dann besprochen worden. Seit April sei sie jeden Tag bei der ARGE gewesen. Zuvor sei sie bereits mit dem Schreiben vom …03.2011 am …03. oder …03. zur ARGE gegangen. Anschließend habe sie auch das Schreiben vom …04.2011 bekommen, mit welchem sie auch zur ARGE gegangen sei. Die Schreiben habe sie bei der ARGE bei Herrn N abgegeben.

Abgesehen davon, dass dieser Sachvortrag von der Klägerin bestritten wurde, daraufhin auch kein Beweis angeboten wurde und dass dieser Sachvortrag auch verspätet gewesen wäre gemäß § 296 Abs. 2 ZPO, war dieser Sachvortrag auch (schon) unsubstantiiert. Es wird jedenfalls nicht konkret vorgetragen, warum die Miete nicht von der ARGE überwiesen wurde, nachdem sich das angebliche Versehen mit der Überweisung auf das eigene Konto der Beklagten nach der eigenen Darstellung der Beklagten aufgeklärt hatte (mutmaßlich, nachdem die Beklagte am …03. oder …03. bei der ARGE vorstellig wurde), zumal auch nicht nachvollziehbar ist, warum die ARGE plötzlich die Miete auf ein anderes Konto hätte überweisen sollen, nachdem sie diese zuvor mehrere Monate auf das Konto der Klägerin überwiesen hatte. Es wird auch nicht ansatzweise substantiiert dazu vorgetragen, warum die ARGE dann auch auf das entsprechende Schreiben der Klägerin vom …03.2011, in dem die Klägerin explizit auf den Zahlungsrückstand hinwies und um Aufklärung bat, wer den Verzug zu vertreten hat (sogar unter Zugrundelegung der richtigen wie hier dargestellten Rechtsauffassung bezüglich des Vertretenmüssens), nicht den Rückstand beglich, sondern zunächst nur die Miete für den Monat April 2011 zahlte (Schriftsatz der Klägerin vom …07.2011, Bl. … GA) und wohl schon gar nicht sich dazu äußerte, dass etwa sie den Rückstand zu vertreten hätte und nicht die Beklagte. Entgegen der Ansicht der Beklagten reichen die vorgetragenen mehrfachen Aufforderungen an die ARGE, die Miete zu zahlen, aus den dargestellten Gründen nicht aus.

Eigene Wohnung unter 25 Jahre

Möglichst ruhige und sichere Wohnbedingungen sind für Autisten sehr wichtig und im Elternhaus oft nicht gegeben. Daher kann es sich als ALG2-Empfänger und Autist lohnen einen Umzug zu beantragen, auch wenn man noch nicht 25 Jahre alt ist und wegen dem ALG2-Bezug normalerweise noch bei den Eltern leben müsste. Bei Sozialhilfebezug (in geringem Maß erwerbsfähig) gilt diese Regelung nicht. Wenn es Probleme beim Auszug wegen der untern zitierten Regelung gibt – die ESH hilft.

Zitat:

„Bei ihren Eltern wohnende arbeitslose Volljährige, die noch nicht 25 Jahre alt sind, erhalten seit dem 1. Juli 2006 nur noch 80 Prozent (276 €) Alg II. Wenn sie aus dem Haushalt der Eltern ausziehen wollen, müssen sie seit dem 1. April 2006 zuvor einen Antrag auf Umzug stellen, der einer Genehmigung bedarf.“

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/ALG2#Gesetz_zur_.C3.84nderung_des_SGB_II_un…

Zitat aus dem SGB2 §7,3:

Zitat:

Zur Bedarfsgemeinschaft gehören[…]

4. die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

Quelle: http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_2/__7.html

Allgemeine Erläuterungen zur Begründung eines vorherigen Auszugs (die Zahlen sind Fußnoten, deren Entsprechung im Zitat nicht enthalten sind, wohl aber bei der Quelle):

Zitat:

Die Empfehlungen des Deutschen Vereins zu § 22 Abs. 2a erhalten eine nicht abschließende Liste mit möglichen Gründen für die Erteilung der Zusicherung. (Falls verfügbar, habe ich einen Verweis auf entsprechende Sozialgerichtsentscheidungen beigefügt.)Ein schwerwiegender sozialer Grund liegt demnach vor, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung:

„(…)

1. eine schwere Störung der Eltern-Kind-Beziehung besteht: das Zusammenleben von Eltern und der Person unter 25 Jahren aus physischen und/oder psychischen Gründen nicht mehr möglich ist oder ein Zusammenleben wechselseitig nicht mehr zumutbar ist,
2. ohne Umzug Gefahr für das körperliche, geistige oder seelische Wohl der Person unter 25 Jahren besteht,
3. die Platzverhältnisse in der Wohnung der Eltern zu beengt sind,
4. bei Zusammenleben mit Geschwistern in der Wohnung der Eltern eine Geschlechtertrennung nicht möglich ist,6
5. ein Verweisen auf die Wohnung der Eltern mangels entsprechender Pflichten nach dem BGB (z.B. Entscheidung der Eltern gegen Gewährung von Naturalunterhalt bzw. Titel des Kindes auf Barunterhalt, § 1612 BGB, oder Entscheidung des Vormundschaftsgerichts auf Unterbringung außerhalb des Elternhauses) nicht möglich ist bzw. ein Verweisen unzumutbar ist, weil z.B. der sorgeberechtigte Elternteil sein Sorgerecht nie oder für längere Zeit nicht ausgeübt hat,
6. die Person unter 25 Jahren fremd untergebracht ist oder sich in einer Einrichtung nach § 67 SGB XII oder in anderen Einrichtungen nach dem SGB II, SGB VIII oder SGB XII aufhält, für den Fall, dass sie aus einer solchen Einrichtung eine eigene Wohnung bezieht (im Vordergrund steht hier der „Therapie-”erfolg, welcher durch Zurückziehen zu den Eltern nicht gefährdet werden soll),
7. die Person unter 25 Jahren eine eigene Familie hat (z.B. Heirat/ Lebenspartnerschaft oder Kind; ehe- oder partnerschaftsähnliche Beziehungen zählen hingegen nicht dazu).”7

Als sonstige ähnlich schwerwiegende Gründe werden in den Empfehlungen genant, wenn:

„(…)

1. der Erstauszug sachlich gerechtfertigt war oder eine Zusicherung erteilt wurde und die Umstände sich nicht verändert haben,
2. die Unter-25-Jährige schwanger ist,8
3. der unter 25-jährige Kindsvater mit der Schwangeren zusammenziehen und eine eigene Familie gründen will. Das gilt auch für den unter 25-jährigen Partner der Schwangeren.”9

Ein weiterer Grund liegt vor, wenn die Eltern oder ein Elternteil an einen anderen Ort umziehen.10 Zudem sollte davon ausgegangen werden, dass bei entsprechender Ausgangslage Antragstellenden eine Zusicherung im Rahmen des Ermessens auch aufgrund anderer Lebenslagen erteilt werden kann, vor allem, wenn diese kurz vor Vollendung des 25. Lebensjahrs stehen.11

Quelle: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2007/sonderbehandlungu25.aspx

Dementsprechend liegt schon fast auf der Hand, wie man auch autismusbedingt zu diesem Zweck argumentieren könnte. Unzumutbare Lebensbedingungen im Elternhaus gefährden die Gesundheit (zu der auch psychische Aspekte gezählt werden) teils erheblichst. Dazu können diverse Sinnesreize beitragen aber auch zwischenmenschliche Komplikationen, etwa wenn die Eltern oder Geschwister es nicht hinbekommen sich ausreichend autismuskompatibel zu verhalten oder gar aktiv diskriminierend auftreten (und sei es dadurch, daß jemand meint den Autisten nach eigenen Vorstellungen „erziehen“ zu müssen). Hier sind viele verschiedene Störfaktoren denkbar, die insofern dann auch relevant sind.

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