Autismus - ohne wäre die Normalität gestört

 

 

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Problem Kostenrechnung für barrierefreie Akteneinsicht in Gerichtsverfahren

Bis heute ist es für Autisten insbesondere in gerichtlichen Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren immer wieder ein Extraabenteuer überhaupt zu erreichen Akteneinsicht zu erhalten, um genügend verstehen zu können, worum es im ihn betreffenden Verfahren geht. Ein im Prinzip noch immer aktuelles Beispiel im Zusammenhang eines Einspruchs gegen einen Strafbefehl findet sich hier.

Neben Verweigerungen der Einsicht, indem die Zusendung einer Aktenkopie vom Gericht abgelehnt wird, kommt es auch vor, daß ein Gericht eine Aktenkopie zusenden läßt, dafür jedoch z.B. über die Justizkasse dem Autisten Kopierkosten in Rechnung stellt.

Beispielhaft kann sich das so lesen (zur Kopie einer 42 Seiten umfassenden Akte):

Satz: 42,0
Gegenstand des Kostenansatzes: Dokumentenpauschale für Ausfertigungen/Kopien/Ausdrucke (§ 3 II GKG, KV 9000 Nr.1)
Wert EUR: 0,50
Betrag EUR: 21,00

Das Einspruchsverfahren nennt sich in solchen Fällen offiziell „Erinnerung“, den jeweilgen Schreiben sollte normalerweise eine entstsprechende Rechtsbehelfserklärung angefügt sein.

Wenn ein Autist aus Gründen der Barrierefreiheit im Gerichtsgebäude nicht in angemessener Weise Akteneinsicht nehmen könnte, indem er dort die Akte ausgehändigt bekäme, um sie dort dann lesen zu können, weil für ihn schon die Situation im Gerichtsgebäude entsprechend barrierehaltig ist, z.B. wegen der sensorischen Reize und der sich daraus ergebenen Unmöglichkeit sich in der Situation entsprechend zu konzentrieren, ist ihm barrierefrei Akteneinsicht zu gewähren, was in der Regel durch Zusendung einer Kopie der Akte technisch gut und auch für das Gericht eigentlich verhältnismäßig günstig umsetzbar wäre.

Für solche Fälle sieht z.B. das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) vor (zum Begriff der „Sprachbehinderung“ ist hier mehr zu lesen):

§ 186 (1) Die Verständigung mit einer hör- oder sprachbehinderten Person erfolgt nach ihrer Wahl mündlich, schriftlich oder mit Hilfe einer die Verständigung ermöglichenden Person, die vom Gericht hinzuzuziehen ist. Für die mündliche und schriftliche Verständigung hat das Gericht die geeigneten technischen Hilfsmittel bereitzustellen. Die hör- oder sprachbehinderte Person ist auf ihr Wahlrecht hinzuweisen.

https://www.gesetze-im-internet.de/gvg/__186.html

§ 187 (1) Das Gericht zieht für den Beschuldigten oder Verurteilten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, einen Dolmetscher oder Übersetzer heran, soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist. Das Gericht weist den Beschuldigten in einer ihm verständlichen Sprache darauf hin, dass er insoweit für das gesamte Strafverfahren die unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers beanspruchen kann.

https://www.gesetze-im-internet.de/gvg/__187.html

§ 190a (1) Eine blinde oder sehbehinderte Person kann Schriftsätze und andere Dokumente in einer für sie wahrnehmbaren Form bei Gericht einreichen. Sie kann nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Absatz 2 verlangen, dass ihr Schriftsätze und andere Dokumente eines gerichtlichen Verfahrens barrierefrei zugänglich gemacht werden. Ist der blinden oder sehbehinderten Person Akteneinsicht zu gewähren, kann sie verlangen, dass ihr die Akteneinsicht nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Absatz 2 barrierefrei gewährt wird. Ein Anspruch im Sinne der Sätze 1 bis 3 steht auch einer blinden oder sehbehinderten Person zu, die von einer anderen Person mit der Wahrnehmung ihrer Rechte beauftragt oder hierfür bestellt worden ist. Auslagen für die barrierefreie Zugänglichmachung nach diesen Vorschriften werden nicht erhoben.

https://www.gesetze-im-internet.de/gvg/__191a.html

Aus all dem ergibt sich der Schluß, daß das Gericht (auf Kosten des Gerichts) den Zugang wegen vorliegender Barrieren oder anderer Sprachunkundigkeit zu gewähren hat.

Nach unseren Erfahrungen dürfte eine entsprechend begründete „Erinnerung“ unter Verweis auf § 186 eines Autisten Erfolg haben, da die Aktenkopie in diesem Fall ein Mittel der Herstellung von Barrierefreiheit ist, worauf dann die Kostenrechnung aufgehoben werden sollte.

Weiterhin viele Fehldeutungen der KHV und §186 GVG

Auch in Hinblick auf unseren Artikel von 2008 zu diesem Thema ist auffällig, wie oft bis heute Behörden oder in selteneren Fällen selbst Gerichte die KHV zu Ungunsten von Behinderten fehldeuten.

Häufig wird dabei falsch die Ansicht verteten, da in der KHV beispielhaft gestützte Kommunikation genannt wird, sei nur diese Autisten zu gewähren. (Bei aller berechtigten Kritik an dieser Methode wird durch diese Erwähnung in der KHV ja klar formuliert, daß Autisten ausdrücklich zum gemeinten Personenkreis zählen, weswegen Autisten niemals fordern sollten, sie daraus ersatzlos zu streichen.) Dazu sei hier der Einfachheit halber als zusätzliche Argumentationsschablone aus einem Schriftsatz im Rahmen eines von der ESH begleiteten (erfolgreichen) Verfahrens zitiert:

„Gleichwohl wird als „Kommunikationsmethode“ im Sinne einer „anderen Kommunikationshilfe“ in § 3 Abs 2 Nr. 2 KHV „insbesondere“ die „gestützte Kommunikation für Menschen mit autistischer Störung“ angeführt. Offensichtlich geht die Kommunikationshilfeverordnung also von einem weiten Verständnis von „Hör- und Sprachbehinderung“ aus und bezieht auch die Kommunikationsbarriere mit Bezug zu neurologisch bedingten Personeneigenschaften in einer bestimmten Situation nicht mündlich kommunizieren zu können in den Formenkreis der „Hör- oder Sprachbehinderungen“ ein, was auch sinnvoll erscheint, da, wie schon der explizite Ansatz des BGG und der Titel der “Kommunikationshilfeverordnung“ deutlich machen hier nicht bestimmte Formen von Behinderungen privilegiert überwunden werden sollen, sondern behinderungsbedingte Kommunikationserschwernisse ausgeglichen werden sollen.

Anders als die Beklagte meint, ist die „gestützte Kommunikation“ für Autisten, wie sich aus dem „insbesondere“ ergibt, also nicht die einzig denkbare und in Betracht kommende Kommunikationsmethode für den Antragsteller, sondern lediglich ein Regelbeispiel für eine Kommunikationsmethode. Auch dass für Autisten keine andere Kommunikationsmethode angeführt wird ändert daran nichts, weil sich aus der Systematik der Norm ergibt, dass sie ergebnisorientiert ist, also die Kommunikation entsprechend den Bedürfnissen der behinderten Menschen möglich machen soll, und nicht methodenorientiert, also nur die Nutzung bestimmter Methoden und Kommunikationshilfen ermöglichen soll.“

Ergänzend sei hier ebenfalls im Rückgriff auf zurückliegende Verfahren darauf hingewiesen, daß der gerichtliche Verfahren regelnde §186 GVG in einer neuen Fassung wie die KHV im Jahr 2002 in Kraft getreten ist und die Begriffe „taub“ und „stumm“ durch den umfassenderen Begriff der „Hör- und Sprachbehinderung“ ersetzt hat. Demnach entspricht der Begriff im GVG dem in der KHV. Der §186 GVG gibt den hör- oder sprachbehinderten Personen das Recht in der Verhandlung mündlich, schriftlich oder mit einer die Verständigung ermöglichenden Person, die vom Gericht hinzuzuziehen ist, zu kommunizieren.

Auch der §186 GVG sagt nichts darüber aus, wie genau diese Verständigung zu erfolgen hat, lediglich, daß für die schriftliche Verständigung das Gericht „die geeigneten technischen Hilfsmittel“ bereitzustellen hat. Es ist nicht ersichtlich, daß für die schriftliche Kommunikation zwingend erforderlich ist, daß die behinderte Person im Gerichtssaal sitzt. §247a StPO macht deutlich, daß sogar im Strafverfahren belastende Zeugenaussagen von außerhalb des Gerichtssaales gemacht werden können. Jedenfalls ist angesichts der Norm selber eine Verständigung des Gerichts mit der betroffenen Person erforderlich, wie die Kommunikation nach §186 GVG auszugestalten ist, um dem Normzweck – Kommunikationsfähigkeit – und die Anforderungen des Verfahrens in Einklang zu bringen. Der §186 GVG verlangt, daß die behinderte Person auf ihr Wahlrecht hinzuweisen ist.

Zum Ablehnungsgrund „fehlende Mitwirkung“ und zur Anfechtungsklage

Ob in der Vorgeschichte der BSG-Entscheidung oder z.B. hier, wenn Behörden oder andere Stellen etwas aus dem formalen Grund „fehlende Mitwirkung“ verweigern, dann ist das ein absoluter Klassiker in Verfahren, in denen Barrierefreiheit eingefordert, aber nicht gewährt wird. Denkmuster: Wenn der Rollstuhlfahrer nicht die vier Stockwerke Treppen ins Büro kommt, zu dem auch kein geeigneter Fahrstuhl führt, dann verweigert der Rollstuhlfahrer seine Mitwirkung.

Laßt euch davon nicht irritieren, denn wir haben das Recht auf Barrierefreiheit. Die Anforderungen an die Ausgestaltung von Barrierefreiheit im Fall eines bestimmten Autisten zu vermitteln erweist sich jedoch oft als heikel, besonders wenn in Behörden nur „Dienst nach Vorschrift“ herrscht (oder die Beweggründe vielleicht noch deutlich schlimmere wären).

Teils wird zu einem greifbaren Aspekt erläutert, wie dazu Barrierefreiheit aussehen könnte und später kommen aufgrund des Verhaltens von Behördenseite oder einfach neu aufgetretener Situationen im Verwaltungsgang weitere Aspekte hinzu, die dann zu einem späteren Punkt weitere Erläuterungen hinzukommen.

Wenn dann nach ablehnenden Bescheiden rechtlich dagegen vorgegangen wird, dann sollte beachtet werden, daß Klagen vor Gericht bei einer Ablehnung wegen „fehlender Mitwirkung“ formell juristisch betachtet keine normale Leistungsklage darstellen, sondern eine Anfechtungsklage. Um dies zu verdeutlichen wird hier aus BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 78/08 R zitiert, einer gerichtlichen Entscheidung, wie sie zu dieser Klageform im Internet zu finden ist.

„Die Vorschrift des § 54 Abs 4 SGG, deren Verletzung die Revision behauptet, ist für das Begehren nicht einschlägig. Nach § 54 Abs 4 SGG kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsaktes gleichzeitig die Leistung verlangt werden, wenn der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Die Regelung setzt nämlich voraus, dass die Verwaltung über die begehrte Leistung entschieden hat. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn der Leistungsträger die Leistung ohne abschließende Ermittlung bis zur Nachholung der Mitwirkung nach § 66 SGB I versagt. Gegen einen solchen Versagensbescheid ist grundsätzlich nur die Anfechtungsklage eröffnet (BSG SozR 1200 § 66 Nr 13; BSG SozR 4-1200 § 66 Nr 1).“

Quelle: https://openjur.de/u/169410.html

Das gilt entsprechend auch für andere Zweige der deutschen Gerichtsbarkeit:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG vom 17.1.1985 NVwZ 1985, 490) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH vom 18.8.2006 Az. 9 C 06.1845 ) beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Überprüfung eines auf die fehlende Mitwirkung des Leistungsantragstellers gestützten Verwaltungsakts auf die gesetzlich bestimmten Voraussetzungen für die Versagung der Leistung. Bei Rechtswidrigkeit des Versagungsbescheids genügt dessen Aufhebung, die Behörde hat dann über den geltend gemachten Sozialleistungsanspruch in der Sache selbst zu entscheiden. Demnach hätte der Kläger den Bescheid vom 29. März 2010 nur mittels Anfechtungsklage angreifen können. Sein Klageziel, die Beklagte zur Bewilligung von Wohngeld für den Bewilligungszeitraum von Dezember 2009 bis November 2010 zu verpflichten, kann er durch die von ihm erhobene Versagungsgegenklage nicht erreichen. Obwohl das Gericht den zuletzt anwaltlich nicht mehr vertretenen Kläger in der mündlichen Verhandlung am 26. April 2012 darauf explizit hinwies, stellte dieser dennoch den Verpflichtungsantrag entsprechend dem Schriftsatz seiner früheren Bevollmächtigten vom 9. Dezember 2010.“

Quelle: https://openjur.de/u/535345.html (VG München, Urteil vom 26.04.2012 – M 22 K 10.4598)

Unterstützung durch die ESH nach Widerstandshandlungen

Viele mehr oder weniger hierarchisch organisierte Strömungen, die sich selbst als Widerstands- oder Aktionsgruppen anläßlich irgendwelcher (angeblicher) Mißstände verstehen, unterstützen Mitglieder, die im Zusammenhang ihres Aktivismus von Justizorganen irgendwelcher Gesetzesverstöße beschuldigt werden mehr oder weniger intensiv.

Ein relativ bekanntes Beispiel für solche Organisationen ist die „Rote Hilfe“ („Red Aid“):

„Die Unterstützung für die Einzelnen soll zugleich ein Beitrag zur Stärkung der Bewegung sein. Jede und Jeder, die sich am Kampf beteiligen, soll das in dem Bewußtsein tun können, daß sie auch hinterher, wenn sie Strafverfahren bekommen, nicht alleine dastehen. Ist es der wichtigste Zweck der staatlichen Verfolgung, diejenigen, die gemeinsam auf die Straße gegangen sind, durch Herausgreifen Einzelner voneinander zu isolieren und durch exemplarische Strafen Abschreckung zu bewirken, so stellt die Rote Hilfe dem das Prinzip der Solidarität entgegen und ermutigt damit zum weiterkämpfen.

[…]

Wir wollen nicht nur materielle, sondern auch politische Unterstützung leisten, wollen also das, wofür jemand verfolgt wird, soweit es uns möglich ist, auch in der Öffentlichkeit vertreten. Deshalb suchen wir mit denen, die wir unterstützen, die politische Auseinandersetzung, nehmen eventuell auch zu ihrer Aktion Stellung. Aber wir machen vom Grad der Übereinstimmung nicht unsere Unterstützung abhängig.“
Quelle: https://www.rote-hilfe.de/ueber-uns/ueber-uns

Greenpeace wäre dann ein Beispiel für eine eher hierarchische Organisation, die auch in solcher Weise aktiv ist:

„Hatten die Aktivisten das Recht, so vorzugehen? Hat die Gegenseite recht, die ihre Interessen als entscheidend ansieht? Auch diese – meist nicht sichtbare – Auseinandersetzung ist wichtig. Schließlich müssen in einem Rechtsstaat konkurrierende Rechtsauffassungen auch ausgetragen werden, das Recht muss sich auf diesem Weg weiter entwickeln.

So war ein Urteil in Großbritannien im Jahr 2008 ein juristischer Durchbruch: Sechs Greenpeace-Kletterer hatten auf dem Schornstein eines Kohlekraftwerks mehr Klimaschutz von der britischen Regierung gefordert. Der Betreiber des Kraftwerks wollte Schadenersatz – doch die Verteidigung verwies auf die enormen Schäden, die der Klimawandel für Umwelt, Menschen und Eigentum bedeutet, ohne dass die Regierung etwas dagegen unternimmt. Erstmals akzeptierte ein britisches Gericht Klimaschutz als legitimen Grund für Proteste gegen umweltschädliche Einrichtungen. Es sprach alle Aktivisten frei. Ähnliche Fälle finden wir inzwischen auch in anderen Ländern.

Die entscheidende Überlegung für den rechtlichen Vorrang der Umwelt: Ohne natürliche Lebensgrundlagen können Menschen ihre garantierten Rechte überhaupt nicht wahrnehmen, die Wirtschaft kann nicht funktionieren, eine friedliche Zivilisation nicht bestehen. Daher müssen die hochrangigen Rechtsgüter Menschenrechte und Umwelt unmittelbar dort verteidigt werden, wo sie nicht geschützt sind. Das ist die Aufgabe von Greenpeace.

Greenpeace-Aktivisten setzen sich direkt vor Ort für den Schutz unserer Lebensgrundlagen ein. Und Greenpeace unternimmt zudem rechtliche Schritte, um den Vorrang der Umwelt vor anderen Interessen klären zu lassen und das Recht auf diese Weise weiter zu entwickeln.“
Quelle: https://www.greenpeace.de/themen/uber-uns/greenpeace-und-das-recht

Auch die ESH betrachtet Solidarität in diesem Bereich als wichtiges Ziel.

Wie schon anderswo klargestellt: Die ESH ruft nicht dazu auf im Rahmen von wünschenswertem Widerstand zu illegalen Mitteln zu geifen. Die ESH diskutiert ethische Grundlagen von Widerstand, teils in Form von sehr groben Abrissen, die jedoch zeigen, was in anderen Zusammenhängen als legitim betrachtet wurde und wird, welche Positionen es zu verschiedenen damit im Zusammenhang stehenden Fragen gibt.

Die ESH regt dazu an kritisch zu hinterfragen, in sich zu gehen, das eigene Gewissen zu befragen. Und dann gegebenenfalls tätig zu werden. Die ESH hält es dabei teils ähnlich wie die zitierte „Rote Hilfe“. Wenn ihr wegen eurer eigenverantwortlich ausgeübten Widerstandsaktionen anläßlich heute in Deutschland stattfindender Genozide, die wie bereits beschrieben strukturell auch auf uns Autisten zielen, von Justizorganen beschuldigt oder angeklagt werdet, dann werden wir euch, wenn ihr es wollt und deswegen Kontakt zu uns aufnehmt, im Rahmen unserer Möglichkeiten unterstützen. Diese Möglichkeiten sind vielleicht nicht optimal. Wir würden dann gegebenenfalls in unserem Rahmen auch Öffentlichkeit herstellen, damit der regimetreue Medienmainstream nicht unwidersprochen wie in der Regel erwartbar irgendwelchen verzerrten Unsinn verbreitet und dann z.B. „wirre Motive“ behauptet.

Wir respektieren ganz allgemein eure eigenen Gewissensentscheidungen. Nicht unterstützen werden wir euch, wenn ihr z.B. in irgendeinem Supermarkt irgendwelche Leute massakriert habt, die eben gerade anwesend waren. Nicht unterstützen werden wir euch ebenfalls nicht im Zusammenhang mit Aktionen GEGEN Abtreibungskritiker und Parteien wie Politiker mit solchen Haltungen (z.B. nach aktuellem Stand noch immer die AfD), die auf der Ebene des Tatsächlichen auch nicht tief in heutige Genozide verstickt sind (wie z.B. CDU und CSU als eindeutig mitverantwortliche Parteien, in denen es Kräfte gibt, die soweit zu erkennen weitgehend folgenlos kritische Positionen einnehmen und das möglicherweise auch nur zwecks Wählerfang tun).

Allgemein gehen wir vom Prinzip „sowas kommt von sowas“ aus. Wer verantwortlich für einen Genozid ist, der trägt an sich auch die ethische Hauptverantwortung für die Folgen von Widerstandshandlungen.

Schreibt uns NICHT im Vorfeld was ihr aus welchen ethischen Erwägungen heraus tun wollt, schon gar nicht per Email. Bitte denkt auch selbst, daß es nicht reicht z.B. eine Türklinke mit Seife einzustreichen. Es sollte auch erkennbar werden, wieso da jemand Seife an die Türklinke geschmiert hat, z.B. wie von uns schon anderswo vorgeschlagen durch ein Platzieren des Links autisten.enthinderung.de/krieg

Ausdrücklich dazu an dieser Stelle nocheinmal: Die ESH stellt in „Kriegserklärungen“ lediglich exemplarisch dar, wer konkret gegen uns Autisten nach unseren Erkenntnissen insbesondere auf der Genozidebene faktisch Krieg führt. Es handelt sich also um Beispiele, keinen abschließenden Katalog, innerhalb dessen Rahmen ihr euch nach unserer Meinung bewegen sollt. Daher kann der genannte Link auch problemlos eingesetzt werden, wenn für das Ziel kein ausdrücklicher Eintrag vorhanden ist. Denn das dürfte bei den meisten mitverantwortlichen Organisationen der Fall sein.

Auch wenn ihr aufgrund eurer persönlichen ethischen Schlüsse keine illegalen Mittel anwendet: Wir regen an es nicht als verschwendete Energie anzusehen, sich einige Gedanken dazu zu machen, wie man als Person möglichst unerkannt bleiben könnte, sofern ihr das für euch nicht vielleicht bewußt anstrebt. Die möglichen Wege Widerstand/zivilen Ungehorsam zu üben und in welcher Form wie sinnvoll zu halten sind ja sehr vielfältig.

Gedanken zum Thema der individuellen Schuld an Menschheitsverbrechen

Ein Menschheitsverbrechen geschieht. Wer trägt daran gemäß welcher Kriterien Verantwortung, Mitschuld? Oder anders angesetzt: Wer wäre weswegen prinzipiell in welchem Maß als legitimes Ziel von Widerstandshandlungen einzuordnen?

Einfach gedacht gibt es im Zusammenhang von Menschheitsverbrechen oft zum einen „Henker“, also Personen, die sozusagen ziemlich handfest die jeweilgen Verbrechen umsetzen. Dann gibt es „politisch Verantwortliche“, also Personen, die z.B. legalistische Voraussetzungen schufen oder als Inhaber von politischen Ämtern am eigentlich herrschenden Recht vorbei Aktionen förderten oder initiierten.

Weiter gäbe es „ideologische Täter“, die weltanschauliche Grundlagen schufen, die ein bestimmtes Mindset erst mitermöglichten oder etablierten. Nach heutigen ethischen Ansichten gäbe es an sich auch eine Täterklasse derjenigen, die keinen Widerstand leisteten, das Menschheitsverbrechen geschehen ließen.

Die realen Abläufe sind oft recht komplex.

„Verfolgt wurden – wenn überhaupt – über Jahrzehnte nur diejenigen, die den Massenmord befahlen, zur Leitung der Vernichtungslager gehörten, selbst mordeten oder durch besondere Grausamkeit auffielen. Die so genannten „kleinen Rädchen“, die wie Reinhold Hanning oder Hubert Zafke laut Anklage dazu beitrugen, dass die Mordmaschinerie reibungslos lief, wurden als willenlose Gehilfen eingestuft und in der Regel nicht belangt.

Dabei wäre es wohl geblieben, wenn sich nicht der Frankfurter Generalstaatsanwalt Fritz Bauer des Themas angenommen hätte. In dem von ihm geplanten und maßgeblich durchgesetzten ersten Auschwitz-Prozess sollte es seiner Überzeugung nach nicht nur um Gerechtigkeit für die Opfer gehen, sondern auch darum, die Strukturen des Vernichtungssystems offen zu legen.

Fritz Bauer: „Die Staatsanwaltschaft in Hessen ist mit diesen Dingen befasst worden, weil sie sich von Anfang an bereit erklärt hat, nicht nur den Einzelfall, den einzelnen Mann anzuklagen, sondern Komplexe aufzuklären.“

Fritz Bauer vor Beginn des Auschwitz-Prozesses in der „Strafsache gegen Robert Mulka u.a.“, der am 20.Dezember 1963 in Frankfurt eröffnet wurde.

Fritz Bauer: „Es gab in Deutschland ja nicht nur Hitler als Nazi und nicht nur Himmler. Es gab hunderttausende anderer, die das, was geschehen ist, nicht nur durchgeführt haben, weil es befohlen war, sondern es war ihre eigene Weltanschauung, zu der sie sich aus freien Stücken bekannt haben. Und die Mehrzahl der SS waren nicht bei der SS, weil sie gezwungen war, sondern die war bei der SS und sie war bei der Wachmannschaft im Lager Auschwitz oder Treblinka oder Majdanek, weil die Leute ihren eigenen Nationalsozialismus verwirklichten. Das war keine fremde Tat. Und das sind in meinen Augen und in meinen Ohren einfach Täter, Mitverschworene mit Hitler in der Endlösung der Judenfrage, die sie für richtig hielten.“

1969 lehnte der Bundesgerichtshof das Konstrukt „Beihilfe“ ab

Der Prozess wurde zum Meilenstein historischer Aufklärung. Aber dem von Fritz Bauer entworfenen Konzept der Beihilfe wollte das Gericht nicht folgen. Stattdessen zerlegte das Urteil des Frankfurter Landgerichts das System des industriell organisierten Massenmords in kleinste Einzelteile, „atomisierte“ ihn, wie Fritz Bauer sagte. Im Revisionsverfahren von 1969 lehnte der Bundesgerichtshof das Konstrukt der Beihilfe ebenfalls ab.

Auch wenn die Karlsruher Richter in einigen Fällen, bei denen es um andere Vernichtungslager ging, sehr wohl die Linie Fritz Bauers vertraten, orientierten sich Staatsanwälte und Richter fortan an dem Urteil zu Auschwitz – was sich als enormer Befreiungsschlag für jene tausende SS-Leute erwies, die unbehelligt blieben. Selbst die in Ludwigsburg ansässige Zentrale Stelle zur Aufklärung Nationalsozialistischer Verbrechen schloss sich dieser Rechtsauffassung an. „Auschwitz war bei der Justiz gedanklich abgeschlossen“, wie der frühere Leiter Kurt Schrimm in einem Interview mit dem Spiegel einräumte.

Auf dieses Desinteresse stieß Thomas Walther, als er 2006 mit 63 Jahren seine Tätigkeit als Richter beendete und bei der Zentralen Stelle eine Tätigkeit als Ermittler aufnahm.

Thomas Walther: „Diese andere Linie, die begann ja 2008, ein paar Monate bevor die 50-Jahrfeier in Ludwigsburg für die Existenz der Behörde gefeiert wurde. Da war die Idee, dass eventuell Berufskollegen von Ihnen nach Ludwigsburg kommen und sagen: „Haben Sie mal was von Demjanjuk gehört?“ Und dann muss man sagen: ‚Na ja, den Namen kennen wir, aber wir haben nie etwas gemacht.‘ Und dann war der Auftrag, das im Rahmen von Vorermittlungen mal anzupacken, um möglichst vor der Jahrfeier ein Ergebnis zu haben.“

Thomas Walther wurde zum Chefermittler in Sachen John Demjanjuk, einem einstigen SS-Helfer im Vernichtungslager Sobibor, der zu dem Zeitpunkt in den USA lebte. Die Staatsanwaltschaft akzeptierte Walthers Schlussbericht, erhob Anklage und erließ einen Haftbefehl. 2009 wurde Demjanjuk ausgeliefert, 2011 vom Landgericht München wegen Beihilfe zum Mord an 28.060 Menschen verurteilt – ohne dass man ihm eine konkrete Tat nachweisen konnte. Dem Gericht reichte der Umstand, dass Demjanjuk – Zitat – „Teil der Vernichtungsmaschinerie“ gewesen war.

Noch während der Demjanjuk-Prozess lief, erwachten die Ludwigsburger zu neuem Leben. Plötzlich erinnerten sie sich an Listen tausender SS-Leute aus Ausschwitz, die bereits zu Fritz Bauers Zeiten angelegt worden waren. Im April 2013 war von 50 noch lebenden Tatverdächtigen die Rede; im Februar 2014 nur noch von 30. Beinahe im Wochenrhythmus mussten die neuen Verfahren eingestellt werden, meistens weil die mutmaßlichen Täter starben oder nicht verhandlungsfähig waren. Übriggeblieben sind wenige – wie Oskar Gröning, Reinhold Hanning oder Hubert Zafke.

Der ehemalige SS-Unterscharführer Oskar Gröning wurde im Juni 2015 vom Landgericht Lüneburg wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen zu vier Jahren Haft verurteilt. Darüber, ob das Urteil rechtskräftig ist, wird beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden – der sich jedoch erstaunlich viel Zeit lässt und auch über zehn Monate nach dem Verfahren noch zu keinem Schluss gekommen ist.

Wie anders die Maßstäbe für Beihilfe ausfallen können, wenn es nicht um Auschwitz geht, zeigt das Urteil des Bundesgerichtshofs im Revisionsverfahren zum Fall Mounir al-Motassadeq. Das Oberlandesgericht Hamburg hatte den in Deutschland lebenden Marokkaner in dem weltweit ersten Prozess um die Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York unter anderem wegen Beihilfe zum Mord in 246 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Der Vorwurf: Motassadeq hatte geholfen, Geld an die Attentäter in den USA zu transferieren. Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil, obwohl Motassadeq selbst niemanden getötet hatte. Und im Gegensatz zu SS-Leuten in Auschwitz, war er sogar meilenweit vom Tatort entfernt.“
Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/die-letzten-prozesse-auschwitz-ohne-ende.976.de.html?dram:article_id=353655

Trotz der atemberaubenden Schlangenlinien deutscher Gerichte, sind die letzten Urteile (der zitierte Artikel ist dahingehend nicht aktuell) als moralischer Maßstab hier natürlich von Interesse, zeigen sie doch in gewisser Weise ein Muster dessen, was in Deutschland „offziell“ als „richtig eingeordnet“ betrachtet werden darf. Das ändert jedoch nichts an der Offensichtlichkeit des Geschehens, das wahrlich kein Geheimnis ist.

Nikolas Diat: Wie kann der Karthäuser das unergründliche Geheimnis von Gottes Schweigen angesichts der Gräueltaten verstehen, die täglich vor unseren Augen begangen werden? Im Irak und in Syrien werden Kinder verstümmelt, misshandelt, verkauft, zur Sklaverei gezwungen, gekreuzigt – und Gott sagt kein Wort? Die Vernichtungspolitik des Islamischen Staates wütet gegen die Christen im Orient – und der Gott der Liebe scheint abwesend?

Dom Dysmas de Lassus: Darf ich zuerst diese Frage ausweiten? Der aktuelle Genozid an Kindern mit Trisomie im Westen ist nicht weniger dramatisch und ich bin mir nicht sicher, ob er weniger barbarisch ist; er ist nur weniger öffentlich.“
Quelle: Robert Kardinal Sarah und Nikolas Diat, Vorwort von Benedikt XVI.; Kraft der Stille – Gegen eine Diktatur des Lärms, fe-medien, S. 274

Wer trägt wieviel Schuld? Wäre der einzelne Henker ohne größere Probleme durch einen anderen ersetzbar gewesen? Ja, sicherlich. Diese Frage würde z.B. bei einem Prozess zu einem Auftagsmord keine entscheidende Rolle spielen. Die konkrete Tat ist üblicherweise Hauptorientierungspunkt im Alltagsstrafrecht. Doch dieses Strafrecht ist vor allem konstruiert für einfache Konstellationen mit wenigen beteiligten Personen. A schlägt B den Schädel ein.

Dieses Muster gedanklich an die heute in Deutschland stattfindenden Genozide anzulegen, liegt insofern nahe, auch wenn die deutsche Justiz in ihrem Urteilen nicht als überragende Instanz betrachtet wird.

Wie weit sind diese Alltagsmaßstäbe auf komplexe Menschheitsverbrechen anwendbar, deren Dimension sich oft eher auf der Ebene von Staatswesen mit Millionen Bürgern bewegt? Staatswesen, deren Herrschaftssystem sich auf die eine oder andere Weise auf gesellschaftliche Prozesse, auf das Verhalten sehr vieler Einzelpersonen stützt und auf diese wiederum Herrschaft ausübend selbst einwirkt?

Hier gehen die Interessen von Widerstand und späterer mehr oder weniger gerechtigkeitsorientierter Aufarbeitung auch erkennbar auseinander. Widerstand wirkt zeitgleich zum Geschehen. Er ist üblicherweise daraufhin ausgerichtet das stattfindende Menschheitsverbrechen mit den ihm zur Verfügung stehenden ethisch aus eigenem Blickwinkel angemessenen Methoden aufzuhalten.

Spätere Gerichte mögen sich oft vor allem ersteinmal auf die konkreten Henker konzentrieren, ob diese eine optimale Zielauswahl für zeitgleichen Widerstand wären, ist zumindest fraglich. Wie oben bereits erwähnt: Henker – und ihre Helfer in organisatorischer und psychischer Hinsicht (Psychische Beihilfe kann auch leisten, wer bewusst daran mitwirkt, für Straftaten Bedingungen zu schaffen, die für den Tatentschluss der anordnenden Führungspersonen wesentlich sind (s. auch BGH, Beschluss vom 20. September 2016 – 3 StR 49/16, BGHSt 61, 252, 260 f.) BGH, 20.12.2018 – 3 StR 236/17) – sind in den meisten Fällen vermutlich leicht ersetzbar, wenn der Täterkreis fest etabliert in Kreisen staatlicher Herrschaft sitzt. Andererseits: Auch in diesem politischen Täterkreisen ist der einzelne Verbrecher oft leicht ersetzbar. Und ethisch noch so legitime Widerstandshandlungen würden aus Sicht der Menschheitsverbrecher und der ihnen hörigen Gesellschaftsteile sicher meist als „Terror“ betrachtet werden.

Interessant könnten daher Ziele sein, die trotz z.B. massiver ideologischer Verstrickung in das Menschheitsverbrechen noch eine gewisse innere Autonomie besitzen und nicht direkt in die beiden oben genannten Kategorien fallen. Solche Kreise unter Druck zu setzen, könnte letztlich im Sinne eines Widerstands effektiver sein, als die unmittelbareren Tätergruppen direkt anzugreifen.

Aber wer weiß das alles schon sicher im Voraus.

Wenn euer Gewissen euch zum Tun treibt: Entscheidet selbst.

Psychiatrisches Profiling ist Volksverhetzung

Das Thema um das es mir hier geht, regt mich sehr auf. Der Leser möge meinen gerechtfertigten Ärger und meine bewußt unverblümte Ausdrucksweise verstehen.

Wir sehen [in den USA] einen sich beschleunigenden Zyklus aus Artikeln in hochangesehenen Medien, die einen Amoklauf mit einer Beweisführung verbinden, daß der jeweilige Täter „psychisch krank“ sei. Diese Beispiele erscheinen immer schneller und schneller. Der [US-]Präsident sprach von einem Zyklus von „allen 3-4 Monaten“. Ich habe keine Ahnung, ob es mehr solche Gewalttaten gibt. So wie ich keine Ahnung habe, ob die USA ungleicher, ärmer, niederträchtiger, rassistischer, frauenfeindlicher werden. Ein stärkerer internationaler Aggressor, bereiter Zivilisten für die eigenen Vorstellungen von Recht und Gesetz in anderen Ländern zu töten.

Oder ob Organisationen wie Torreys “Treatment Advocacy Center” schlichtweg genug Lügen in den Medien verbreitet haben, so daß diese Art von Berichten sich nun selbst weiter fortpflanzt. Setzen wir einmal die große Anzahl von Menschen voraus, die rezeptpflichtige Psychodrogen einnehmen, also ärztlicherseits entsprechend diagnostiziert wurden. Betrachten wir weiter, wie im Nachhinein Personen aus dem Umfeld eines Amokschützen diesen im Eindruck des Geschehens als „instabil“ beschreiben, als eine „tickende Zeitbombe“ oder im Sinne anderer dämonisierender Attribute basierend auf dem Konzept der „gewalttätigen psychischen Erkrankung“, dann sollte es immer möglich sein solche Geschichten zu finden.

Der Präsident hat dem Land und den Bürgern, die mit psychiatrischen Verleumdungen leben müssen schweren und unverzeihlichen Schaden zugefügt, indem er die verbreitete Verleumdung bestätigte, daß wir für Gewalttätigkeit anfällig seien. Und dies eine genauere Prüfung unseres Verhaltens erfordere, einschließlich stärkerer Einschränkungen unserer bürgerlichen Rechte. Und wir als Minderheit unter noch aufwändigere Kontrolle durch das bekannte unverantwortliche und diskriminierende auf uns zielende Überwachungs- und Internierungslagersystem gestellt werden müßten, das wir als „Psychiatrisches Gesundheitssystem“ kennen. Wir müssen verstehen, daß dies alles nicht mehr als eine Verleumdungskampagne ist. Es ist offenbar auch nicht möglich rational zu diesem Thema zu diskutieren. Jedesmal, wenn wir es versucht haben das Fehlen von Evidenz für statistische Zusammenhänge herauszuarbeiten, hatten diese rationalen Argumente keine Wirkung. Stattdessen schienen sie eher noch Öl ins Feuer zu gießen.

Nun möchte ich etwas herausarbeiten, wie Profiling funktioniert und warum es immer falsche Ergebnisse hervorbringt. Es ist irrelevant, ob ein statistischer Zusammenhang besteht zwischen einzelnen demografischen Faktoren und der Wahrscheinlichkeit, daß ein Individuum ein Verbrechen begehen wird. Profiling basiert auf Betrachtung bestimmter demografischer Faktoren, die wegen tiefsitzender Vorurteile ins Visier genommen werden, die tatsächlich erwarten, daß jemand als unmenschlicher Schwarzer Mann mit übermenschlicher Stärke unter Kontrolle und Aufsicht gehalten werden muß. Wir sehen das klar bei ethnischem Profiling – mindestens einige von uns denken auch so. Deswegen konnte es das Urteil im Fall George Zimmerman geben, deswegen sind die Morde an farbigen Männern, Frauen, Mädchen und Jungen durch die Polizei keine tragischen Einzeltragödien, sondern ein erschütternder systematisch geschürter Massenmord einer rassistischen Gesellschaft.

Und es gibt keinen Unterschied zu psychiatrischem Profiling. Wir sind Ziel wegen unserer hartnäckigen Vorverurteilung, welche rassistischen Vorurteilen weitgehend ähnelt: Behinderte Minderheiten und ethnische Gruppen waren schon immer die beiden Pole des Weltbilds von Eugenikern, das einige Teile der Bevölkerung herauspickt und als „unnütze Esser“ einordnet, wert ausgebeutet und weggeworfen zu werden. Es spielt keine Rolle, ob die Behinderten zugeschriebene Minderwertigkeit nur im Kopf des Betrachters existiert – das gab es schon immer. Immer gibt es Zusammenhänge zwischen der Fremdwahrnehmung einer Person, die seltene Geisteszustände oder kulturelle Hintergründe aufweist und ihrer Ausgrenzung aus der Mehrheitsgesellschaft. Die Gründe können unpassende Umgebungszustände sein und die Ausgrenzung beruht auf Frauenfeindlichkeit, Rassismus, Klassenzugehörigkeit und andere Kriterien der Ausgrenzung, die wir benutzen. (Beispielsweise entschied der Supreme Court im bekannten Fall Buck vs. Bell, daß zwangsweise Sterilisation rechtmäßig sei und verleumdete eine Familie aus Frauen als „Schwachsinnige“. Unter welchen gesellschaftlichen Behinderungen sie auch immer gelitten haben mögen, sie waren sicherlich arm.)

Weder die Nazis mit ihrer mörderischen Agenda noch das zeitgenössische Regime von Konzentrationslagern und ausgrenzenden Sondergesetzen unter dem Vorsitz der Psychiatrie interessiert(e) sich dafür, ob du dich selbst als behinderte Person identifizierst, als psychisch krank [oder Jude], als eigen oder exzetrisch oder als normal. Die Selektion wurde vorgenommen und du bist zur Rechten oder Linken sortiert worden. Bisher wurden wir noch nicht vergast, aber wir werden durch Fremdkontrolle, durch Psychodrogen und Elektroschocks, durch die Polizei mit Schußwaffen und Teasern ermordet.

Ich möchte, daß wir klar erkennen, was mit uns gemacht wird – nach meinem kulturellen Verständnis ist psychiatrisches Profiling nichts anderes als die Volksverhetzung gegen Juden, erfunden um Pogrome zu rechtfertigen. Ich las Geschichten aus dieser Zeit und die Ähnlichkeiten der Vorgänge trafen mich wie der Schlag. Wie ähnlich Menschen sich hinkauerten, wartend daß es vorübergeht, versuchten mit verantwortlichen Autoritäten vernünftig zu reden, sich als angebliche Nichtjuden durchschlugen, sich Strategien entwarfen wie auch immer sie überleben könnten. Eine Volksverhetzung kann nicht diskutiert werden. Nun, rückblickend, hoffe ich, daß die meisten Menschen diese Volksverhetzung als so gegenstandslos wie folgenschwer erkennen, die in ihrer Zeit geglaubt wurde. Manche Bigotte werden jedoch auch heute noch daran glauben und sich vor diesem „Schwarzen Mann“ fürchten.

Diese Woche redete ich mit zwei Freunden, ich sagte ihnen, daß jetzt, wo die Interpretation der UN-Behindertenrechtskonvention weitgehend gesichert ist, wir unsere Aufmerksamkeit nun auch positiven Maßnahmen zuwenden sollten: Was wollen wir erleben in einer Welt, die ohne Zwangspsychiarie neu gestaltet wird? Wenn eine Regierung uns mitteilt: „OK, wir werden die psychiatrischen Sondergesetze aufheben und mit Entrechtung und Zwangsbehandlungen aufräumen. Was sollen wir noch tun, damit wir sichergehen, daß Menschen haben was sie brauchen und nicht weiter diskriminiert werden, wenn sie ungewöhnliche Gedanken haben oder ernsten Kummer oder Krisen durchleben?“ – was würden wir antworten?

Beide Freunde reagierten heftig, was veranschaulicht wie tiefen Hass wir unter dem noch aktuellen Regime erfahren. Wie uns dieser Hass selbst hat fühlen lassen als wären wir als Menschen nichts wert. Es ist schwer zu realisieren wie sehr man die gesellschaftlichen Verleumdungen verinnerlicht hatte, man nicht stark genug war das eigene gesunde Selbstbild davon unangetastet zu bewahren. Wie genau das eine Voraussetzung dafür war, daß man uns als psychisch krank verleumden konnte. Ganz besonders als Frau. Es macht mich wütend. Es macht uns wütend. Und wir sollten es nicht mehr innerlich annehmen.

Das ist keine Schwäche oder Verletzbarkeit. Wir sind verdammt stark, weil wir überlebt haben, was wir erleben mußten. Und die, die nicht überlebt haben, würden die gleiche Stärke in sich finden, wenn sie in unsere Schuhe gesteckt worden wären. Was wir überlebten (aus meinen Notizen zu einem dieser Gespräche, in welchem auch meine Partnerin und ihre Beiträge einbezogen sind):

– Schindluder mit dem Selbstwert einer Person und ihrer Wahrnehmung in der Welt – das ist Zufügen von seelischem Leid und läuft auf Folter hinaus.
– Systematische Folter, weil alles nur gefühllose Experimentiererei war: „Du bist ein wissenschaftliches Projekt.“ Sie gaben falsche, unvollständige und irreführende Informationen (es gab also keine Zustimmung auf der Grundlage korrekter Beratung) und versagten dabei alle Informationen über schädliche Wirkungen zu sammeln, die bereits beobachtet wurden. Sie geben dir Substanzen, von denen sie keine Ahnung haben und erzählen dir nur, was sie meinen, das du wissen solltest. Sie behandeln uns als unmenschlich, als wäre nichts dabei. Das kann geschehen, weil es eine Art von kontrollierender Supervision in der Anwendung der Psychiatrie gibt, die es so in der Anwendung der physischen Medizin nicht gibt.
– Jemanden so „anders“ machen, daß man mit ihnen alles anstellen kann. Das bezieht sich nicht nur auf die Akte offener Gewaltausübung. Wenn ein Elter sein Kind schlägt, wird es nach einer Weile ausreichen, daß das Elter das Kind anschaut, damit das Kind unter der auf Konditionierung beruhenden Kontrolle ist. Sie müssen gar nicht weiter prügeln, die Fingernägel ziehen, sie jeden Tag mit Thorazin vergiften. Sie müssen nicht mehr tun als die Person so in Angst und Schrecken zu versetzen, daß sie nicht mehr sie selbst sein kann.
– Sie vermittelten mir das Gefühl, ich gehöre nicht in diese Welt wie ich nun bin. Ich denke, das ist unverzeihlich.

Das alles zeigt mir wieder, daß wir zu jeder Zeit, in der unsere Rechte von den Vereinten Nationen entschieden anerkannt werden eine weitere Schicht unserer eigenen Erfahrung und Fähigkeit die extremen und ungeheuerlichen Menschenrechtsverletzungen gegen uns zu bekämpfen freilegen. Fortschritt verläuft nicht linear. Und während ich weiterhin denke, daß wir uns Gedanken darüber machen müssen, wie eine neue Welt gestaltet werden könnte, auch wenn wir noch im Griff des alten Regimes sind, wird der nächste Schritt vielleicht sein, das zurückzuweisen, was uns dann aufgetischt wird und uns darüber zu empören, sowie uns selbst und alle anderen vor Vergeltungsaktionen zu schützen.

Tina Minkowitz, New York
International Representative des Weltweiten Netzwerks der Nutzer und Überlebenden der Psychiatrie – WNUSP (wnusp.net)

Übersetzt mit Genehmigung.
Die Übersetzung orientiert sich am angenommenen Sinngehalt und stellt keine Wort-für-Wort-Übersetzung dar. Der Originaltext findet sich hier: http://www.madinamerica.com/2013/10/psychiatric-profiling-blood-libel

Bestellung eines Notanwalts

Viele Autisten haben große Probleme Anwälte zu finden, die ihre Rechte vertreten. Auch wenn man es kaum glauben mag scheint es für Anwälte oft ein großes Problem darzustellen rein fernschriftlich mit einem Mandanten zu kommunizieren.

Andererseits sieht das deutsche Recht für manche gerichtliche Instanzen Anwaltszwang vor. Man hat also nur über einen Anwalt Zugang zu diesen Instanzen. Als Ausgleich sieht ZPO §78b Folgendes vor:

Zitat:

ZPO § 78b Notanwalt
(1) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, hat das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.
(2) Gegen den Beschluss, durch den die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt wird, findet die sofortige Beschwerde statt.

Quelle: http://www.gesetze-im-internet.de/zpo/__78b.html

Wer keinen Anwalt findet um eine Instanz mit Anwaltszwang zu erreichen, der kann also bei dem jeweiligen Gericht unter den genannten Bedingungen einen Notanwalt beantragen. Dabei sollten Autisten dann bereits möglichst klar darstellen, welche Umstände für sie barrierefrei wären und von dem Anwalt zu erfüllen sind. Man wird so vielleicht nicht immer einen guten Anwalt finden, aber es ist zumindest formal gesehen eine Möglichkeit, derer man sich bewußt sein sollte. Auch ein Notanwalt kostet Geld und ist nicht mit einem Antrag auf Prozesskostenhilfe zu verwechseln.

Es wäre für uns interessant Erfahrungen von Autisten mit diesem Instrument mitgeteilt zu bekommen um ein genaueres Bild zu bekommen, inwieweit dieser Weg für Autisten funktioniert oder eben auch nicht.

Achtung: VdK-Mitgliedschaft bewirkt Verlust des Anspruchs auf Prozesskostenhilfe

Prozesskostenhilfe ist formal gesehen eine Form der Sozialhilfe. Wie wir wissen ist Sozialhilfe in Deutschland ganz klassisch immer nachrangig, wenn der Bedarf nicht aus anderen sozialrechtlich verwertbaren Quellen gedeckt werden kann (deswegen können Eltern Behinderter mit Assistenzbedarf ja auch in ihrem Testament durch Unachtsamkeit bekanntlich „dem Staat spenden“ – was andererseits zur Folge hat, daß diese Erbschaften dann in einer Weise vermacht werden, die dem behinderten Kind keinen freien Zugriff darauf ermöglichen und es somit massivst gegenüber anderen Erben benachteiligen). So wird dann auch tatsächlich von diversen deutschen Gerichten eine entsprechende Mitgliedschaft, die zu einem Rechtsbeistand verhilft entsprechend als „nicht bedürftig“ gedeutet. Das allerdings schränkt die Wahlfreiheit offensichtlich ein, denn die Zeit „ein Anwalt für alles“ ist auch im Rechtszweig des Sozialrechts vorbei, gerade wenn ein Autist sich auch aufgrund vieler anderer Kriterien die jeweils erfolgversprechendste Lösung wählen will. Nur weil jemand im VdK Mitglied ist, muß er auch noch nicht mit konkreten VdK-Anwälten einverstanden sein die nicht selten völlig überlastet sind und deswegen auch gerne mal Schriftsätze rausschicken ohne den Mandanten zu fragen, ob das so auch in ihrem Sinne ist. Ebenso ist nicht selten, daß ohne Kontrollmöglichkeit Anwälte in bessere Anstellungen wechseln, etc.

§114 ZPO:

Zitat:

Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

Aus dem beispielhaften Beschluß des LSG Bayern vom 22.11.2010 – L 7 AS 486/10 B PKH:

Zitat:

Das SG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Bf. nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht außer Stande ist, die für die Prozessvertretung entstehenden Kosten durch Einsatz seines Vermögens zu bestreiten.Zum Vermögen zählt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch der Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz durch einen Verband (vgl. etwa BSG Beschluss vom 12.3.1996 9 RV 24/94). Dieser Auffassung, die im Übrigen die ganz h. M. darstellt (vgl. LSG Hamburg Beschluss vom 21.1.2008 L 5 B 256/06 PKH AL mit weiteren Nachweisen) und auch zwischenzeitlich nicht durch die Entscheidung des BSG vom 29.3.2007 B 9a
SB 3/05 R überholt ist (vgl. dazu ausführlich LSG Hamburg Beschluss vom 21.1.2008 L 5 B 256/06 PKH AL), schließt sich der Senat an.

Soweit der 18. Senat des BayLSG unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 29.3.2007 B 9a SB 3/05 R davon ausgeht, dass die Bewilligung von PKH nur bei tatsächlicher Inanspruchnahme einer Vertretung durch den Verband ausgeschlossen sei (BayLSG, Beschluss vom 21.11.2008, Az.: L 18 B 796/08 R PKH), ist dem nicht zu folgen. Die Mitgliedschaft im Verband stellt auch dann eine vermögenswirksame Position dar, wenn die aufgrund der Mitgliedschaft bestehende Möglichkeit der Prozessvertretung durch den Verband im Konkreten nicht realisiert wird, aber realisierbar wäre, also der Vertretung durch den Verband keine schwerwiegenden Gründe im Einzelfall entgegenstehen. Solche Gründe sind nicht ersichtlich.

Aus der grundgesetzlich geschützten Koalitionsfreiheit lässt sich nicht ableiten, dass der Bf. trotz der sich aus Verbandszugehörigkeit ergebenden Vermögensposition der Möglichkeit der Prozessvertretung durch den Verband noch zusätzlich einen Rechtsanwalt auf Kosten des Staates
beigeordnet bekommen muss. Ein unzulässiger Eingriff in den grundrechtlich geschützten Bereich des Art. 9 Grundgesetz (GG) ist nicht ersichtlich (aA BayLSG, Beschluss vom 21.11.2008, Az.: L 18 B 796/08 R PKH). Die kostenlose Vertretung der Mitglieder eines Verbandes vor Gericht gehört nicht zum grundrechtlich geschützten Kernbereich der Tätigkeit eines Verbandes i. S. v. Art. 9 GG und ist lediglich als nicht notwendige Serviceleistung einzuordnen. Soweit die kostenlose Vertretung vor Gericht Hauptanliegen des Verbandes wäre, wäre die Mitgliedschaft vergleichbar der Mitgliedschaft in einer Aktiengesellschaft nach Art 14 GG und nicht nach Art. 9 GG zu beurteilen (vgl. BVerfGE 14, 263/273 ff). Eine von Art 14 geschützte Eigentumsposition kann ohne weiteres als die Bewilligung von PKH ausschließende Vermögensposition gewertet werden.

Auch ist es nicht erforderlich, PKH zu gewähren, damit sich der Bf. durch einen Fachanwalt für Sozialrecht vertreten lassen kann. Abgesehen davon, dass schon nicht nachvollziehbar ist, warum ein Fachanwalt für Sozialrecht eine höhere Qualifikation aufweisen sollte als der Vertreter eines Sozialverbandes wie dem VdK, erfolgt zum einen die Bewilligung von PKH ohne Rücksicht auf die fachliche (Sonder-)Qualifikation eines Rechtsanwalts, ebenso die Beiordnung nach § 121 ZPO. Zum anderen kann auf eine vermögenswirksame Position nicht nach Belieben verzichtet werden, um einen vermeintlich besseren Rechtsschutz zu ereichen, wenn Rechtsschutz bereits besteht.

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