Autismus - ohne wäre die Normalität gestört

 

 

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Bundestagspetition 26687

Wortlaut der ESH-Petition:

„Wer kann entscheiden, welches Leben lebenswert ist und welches nicht? Ärzte aufgrund ihres fachbedingt mangelnden sozialwissenschaftlichen Verständnisses gesellschaftlicher Prozesse nicht. Dennoch wird in D Eugenik vor allem durch Entscheidungen der Ärzte betrieben, z.B. im Rahmen von Ausschlußkriterien für Samenbanken. Aber was unterscheidet einen einzelnen „Schwarzen“ von einem einzelnen Menschen m. „abstoßend wirkenden Entstellungen“ abgesehen von kulturbedingten Einstellungen so grundlegend?

Seit langer Zeit schwelt in unserer Gesellschaft bezüglich der sich immer weiter ausbreitenden Eugenik ein heftiger Streit, der sich auch quer durch den Bundestag zieht.

Die eine Seite hält es für grundsätzlich falsch, daß der Mensch sich selbst aktiv zu züchten beginnt, z.B. als genbasierte „Krankheitsvorsorge“ oder daß Menschen abgetrieben werden, weil sie Eigenschaften aufweisen, die die Gesellschaft aktuell vor allem negativ bewertet. Die andere Seite neigt dazu der Zucht des Menschen durch den Menschen aufgeschlossen gegenüberzustehen und auf die Selbstbestimmungsrechte der Eltern zu pochen.

Mir fällt auf, daß in dieser Debatte die jeweiligen Angehörigen der betreffenden Bevölkerungsgruppen (z.B. einzelne Behindertengruppen) und ihre Interessenvertretungen wenn überhaupt nur am Rande wahrgenommen werden. Dies halte ich für einen schwerwiegenden Fehler, weswegen ich umfassende Gesetzesänderungen nach folgendem Maßstab anregen möchte:

Prävention, selektiver Schwangerschaftsabbruch, Eugenik oder Gendiagnostik sowie Forschung mit vergleichbarer Zielsetzung ist bezüglich Gruppen verboten,
1. deren eigenorganisierte und nicht durch gruppenfremde Bevölkerungsgruppen (auch Familienangehörige) maßgeblich mitbeeinflußte Interessenorganisationen, Kulturvereine und dergleichen sich nicht selbst in maßgeblicher Mehrheit dafür aussprechen die eigene Bevölkerungsgruppe durch „Prävention“ in ihrem Nachwuchs zu mindern.
oder
2. aus deren Reihen es irgendwo auf der Welt eine „Pride“-Bewegung gibt.

Behinderung wird bis heute oft noch fälschlich als Personeneigenschaft betrachtet, statt als Form der Diskriminierung. Dennoch wissen wir mittlerweile, daß ein konsequent gedachtes soziales Behinderungsmodell der Realität entspricht: Nicht weil ein Mensch bestimmte Personeneigenschaften aufweist wird er an gesellschaftlicher Teilhabe gehindert, sondern aufgrund des Umstands, daß diese Eigenschaften statistisch untypisch sind.

Nehmen wir eine fiktive Welt an, in der fast alle Menschen Kiemen haben und auch unter Wasser leben. In dieser Welt wäre ein durchschnittlicher Deutscher nach unserem Verständnis schwer behindert, weil er an dieser Gesellschaft vermutlich nicht voll teilhaben könnte. Wäre nun Behinderung etwas, das eher von der Seite der Personeneigenschaften verursacht würde, dann gäbe es zwischen der fiktiven und unserer realen Welt keinen derart massiven Unterschied wie den, daß derselbe Mensch in der einen Welt „normal“ und in der anderen Welt behindert wäre. Dies beweist, daß der letztlich zufällige Umstand einer Minderheitenrolle Behinderung auslöst.

Durch die heutigen gesetzlichen Regelungen werden daher Menschen erheblich diskriminiert und einer völkermordartigen Situation ausgesetzt, eben weil sie gesellschaftlich diskriminiert werden. Nur wegen dieser diskriminiernden Haltungen wird ein Unterschied zwischen klassischen ethnischen „Säuberungen“ und der heutigen Eugenik konstruiert, den es jedoch eigentlich gar nicht gibt.“

Von Autismus bis Völkermord und/oder Welterbe – Mahnappell zum neuen Jahr

Bis heute ist die Interessenvertretung der Autisten eklatant unterentwickelt angesichts der Schärfe der bis heute nahezu unvermindert vorzufindenden Diskriminierungen gegenüber Autisten. Woran liegt das? Der Versuch einer Einordnung.

Es ist ein Phänomen. Wir stehen kurz vor einem neuen Völkermord. Aber die betreffende Minderheit interessiert das nicht. Obwohl diese Gefahr durchaus von Vielen erkannt wird, tut kaum jemand etwas dagegen. Ja nicht nur das, Aktivisten die sich über diese Situation vollkommen bewußt sind, ziehen sich immer wieder wegen kaum nachvollziehbarer Kleinigkeiten beleidigt ins Privatleben zurück. Was ist da los? Wie kann das sein? Es handelt sich doch eigentlich um intelligente und zu großen Teilen vernünftige Menschen?

Neulich konfrontierte mich ein gestandener Autist mit seiner Erkenntnis: Autisten sind die Juden der BRD. Hoppala, sowas darf man doch nicht denken, geschweige denn aussprechen!? Schließlich disqualifiziert man sich mit jedem Nazivergleich von selbst. Außerdem gibt es genug Unterschiede zwischen beiden Situationen. Zumindest war das mein erster Impuls. Aber kann das für Völkermordthemen gelten? Wie soll man die Shoa als Mahnung verstehen, wenn man die damit in Zusammenhang stehenden geschichtlichen Erfahrungen aufgrund eines Tabus nicht laut mit heutigen Vorkommnissen in Verbindung bringen darf? Natürlich verbietet es sich leichtfertig Bezüge zum Nazistaat herzustellen, aber die Gründer der BRD selbst waren fest davon durchdrungen Lehren aus dem Erlebten zu ziehen und das setzt auch voraus, daß man Vergleiche anstellen darf. Besonders dann wenn sich wieder großes Unheil abzeichnet.

Eugenik gegenüber Autisten praktizierten bereits die Nazis. Nicht gegen Autisten als klar umrissene Personengruppe. Auch nicht gegen eine Personengruppe die vermeintlich die Welt parasitär kontrollieren würde. Und meines Wissens auch nicht als Kriegshandlung, denn die Shoa war aus Sicht der Nazis ein Teil des Krieges, der vom Weltjudentum gesteuert sei. Außerdem war der Nazistaat eine Diktatur.

Die Shoa gilt heute Vielen als der Völkermord schlechthin. Ein Völkermord an Autisten? Die Autisten sind doch gar kein Volk. Nicht? Der klassische Begriff des Volkes geht deutlich weiter als das heute meist vorzufindendes Verständnis und das spiegelt sich auch im allgemeinen Verständnis des Völkermords wider. Schon die europäischen Juden waren ja kein Volk im nationalen Sinn und sie waren auch keine Anhänger einer bestimmten Religion. Diese „Juden“ stellten eine durch den Nazistaat nach eigenen weltanschauliche Kriterien gesetzlich definierte Personengruppe dar. Eine Definition mit dem Ziel der Ausgrenzung.

Das was schon heute passiert, z.B. die gezielte massenhafte vorgeburtliche Ermordung von Menschen mit Trisomie 21 geschieht ebenso auf Grundlage gesetzlicher Festlegung dessen, was lebenswert und was lebensunwert ist. Wie auch im Nazistaat sind Teile der Ärzteschaft tief involviert. Und wenn man genau hinschaut, muß man feststellen, daß es eine kaum bestreitbare ideologische Kontinuität dieser eugenischen Massensäuberungen hierzulande gibt. Natürlich distanziert man sich mit großem Gebrüll davon, wie zur Nazizeit ausgewachsene vermeintlich lebensunwerte Menschen zu ermorden. Mit heutigen Methoden läßt sich das strategische Ziel viel eleganter bewerkstelligen.

Völkermord ist kein Privileg von Diktaturen. Wäre es weniger verwerflich gewesen, wenn die Shoa als Resultat einer freien und fairen Volksabstimmung erfolgt wäre? Natürlich nicht – Völkermord ist Völkermord. Ein Straftatbestand des Völkerrechts. Es macht auch keinen Sinn zu versuchen einen heute mitten unter uns stattfindenden Völkermord wegzuerklären. Die Völkermordkonvention, die auch in Deutschland geltendes Recht ist, enthält als Straftatbestand unter anderem ausdrücklich „die Anordnung von Maßnahmen zur Geburtenverhinderung“. Zweifellos hat der deutsche Gesetzgeber Maßnahmen angeordnet, die diesen Effekt haben und auch haben sollen. Er fördert auch – wie damals – einseitige Forschung, die als Legitimationsgrundlage dient oder sich direkt damit beschäftigt technische Voraussetzungen für den Völkermord zu erlangen. Er schafft u.a. darüber hinaus finanziellen Druck zur Durchsetzung des Völkermords, der von der Justiz auch umgesetzt wird, siehe das BGH-Urteil vom 18.6.2002 Az. VIZR136/01 (Abhandlung dazu: http://www.ratgeber-arzthaftung.de/pdf/Abtreibung.pdf ) in welchem ein Arzt, der nicht seiner „Pflicht“ nachkam die Schwangere ausreichend über die „Mängel“ des ungeborenen Kindes zu informieren und diese deswegen das Kind nicht töten ließ, zu Unterhalt und Schmerzensgeld in fünfstelliger Höhe verurteilt wurde. Diese Rechtsnormen gelten selbstverständlich auch für Autisten und wir kennen auch hinlänglich die verbreiteten Ursachenverdrehungen durch die eine gesellschaftliche Diskriminierung zum Defizit einer Personengruppe umdeklariert wird. Alles ist bereit. Nur der Startschuß fehlt noch.

Die Lage ist ernst, praktisch schon morgen kann es praktisch möglich werden Autisten vorgeburtlich mit einer für den deutschen Gesetzgeber ausreichenden Wahrscheinlichkeit zu identifizieren. (Siehe beispielhaft ergänzend: http://asansouthwestohio.blogspot.com/2009/10/why-autism-speaks-does-not… (englisch) und http://autisten.enthinderung.de/autism_speaks ) Absolute Sicherheit hat er noch nie verlangt, weswegen als Kollateralschaden des Völkermords stets auch irrtümlich diagnostizierte Menschen vorgeburtlich getötet werden, die eigentlich gar nicht zur staatlich definierten Gruppe zählen. Ist es eine Schockstarre, wenn trotzdem kaum ein Autist beginnt in einem Maße aktiv zu werden, das erforderlich wäre? Ist es Fatalismus? Was es auch ist, in der staatlich definierten Gruppe der „Juden“ sah es zur Zeit des Nazistaats erstaunlich – oder besser erschreckend – ähnlich aus. Und aufgrund der heutigen Methode der Eugenik gibt es auch keinen Auswanderungsdruck, denn wie sollten Ungeborene auch auswandern?

Die christlichen Kirchen, insbesondere die evangelische, sind indes so damit beschäftigt sich von der eigenen Rolle im Nazistaat zu distanzieren und Personen wie Dietrich Bonhoeffer zu huldigen, daß sie kaum mehr in der Sache fertigbringen als gelegentlich halbherzige, fast schon widerwillig pflichtgemäße Protestbekundungen kundzutun. Ohnehin sind gerade die Großkirchen durch milliardenschwere Verflechtungen mit dem Staat kaum übersehbar korrumpiert. Andere Bevölkerungskreise ließen sich zumindest bisher kaum mobilisieren oder sind selbst von der – gesellschaftlich heute auch noch zutiefst verwurzelten – Eugenik überzeugt und verspotten die Zielgruppen völlig unverblümt. Immerhin: Die römisch-katholische Kirche verurteilt Abtreibungen allgemein bis heute in glaubwürdiger Weise. Dadurch wird leider ein laufender Völkermord auch nicht aufgehalten.

Nun kann man sich aus Sicht der christlichen Theologie sicherlich fragen, ob man sich in solche Dinge einmischen sollte. Tatsache ist jedoch zumindest, daß gerade die evangelische Kirche, die damals teilweise im vorauseilenden Gehorsam laut Staatsgesetz als Juden einzustufende christliche Pastoren von sich aus aus dem Amt entfernte, sich durch das überdeutliche Bekenntnis zu Personen wie Bonhoeffer genau dazu bekennt es im Falle des Falles als geboten zu erachten sich auch unter Lebensgefahr einzumischen. Dies ist im übrigen ein Geist, welchen das zugunsten vor allem der EU-Ebene immer weiter ausgehöhlte Grundgesetz der BRD atmete und der bis heute der Form halber noch gepflegt wird, indem die Staatsführung regelmäßig offiziell einem Mordanschlag auf einen deutschen Regierungschef gedenkt und zwar gerade auch, weil dieser einen Völkermord verübte. Verkehrte Welt? Natürlich und das haben selbst Kabarettisten schon lange erkannt, wenn zumeist auch in anderen Zusammenhängen (z.B. ökologischen): Will uns die deutsche Staatsführung durch diese Festlichkeiten daran erinnern, daß nach ihren eigenen Maßstäben ethisch integere Personen Anschläge auf sie verüben sollten?

Fakt ist: Wir können mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht damit rechnen, daß jemand den Völkermord an etwa 70 Millionen Autisten aufhalten wird. Aber wir können und müssen aus eigenem Interesse unser Möglichstes versuchen. Wer will z.B. in einer Welt altern, in der es fast keine jungen Autisten mehr gibt?

Was ist in und mit einer Gesellschaft geschehen, die nicht mehr erkennen kann, dass ihre Handlungsweise zu einem großen Artensterben in Menschen-, Tier- und Pflanzenwelt führt? Ist die daraus resultierende Armut im menschlichen Sein und in der Sinngebung unseres Lebens wirklich gewollt? Ist denjenigen bewusst, die Forschung betreiben um einen Teil des Lebens ungeschehen zu machen, dass sie die Schöpfung und damit sich selbst berauben um Regungen, Respekt und Toleranz, Begabung, Herzenswärme und Güte, Kunst und Wissenschaft? Wahrscheinlich hat später mal wieder niemand was gewußt?

Laßt uns die Unesco überzeugen Autismus in die Welterbeliste aufzunehmen. Laßt uns zusammenarbeiten, um einen Gegenpol in der Öffentlichkeit zu bilden. Engagiert euch in ernstzunehmenden Autistengruppen. Werdet z.B. Mitglied im Auties e.V. (siehe unter Kontaktformulare) und zeigt Flagge für eine selbstbewußte autistische Kultur. Beteiligt euch in den Foren, macht in der ESH mit, helft anderen, teilt uns eure Ideen mit. Gründet eine neue Autistengruppe, wenn ihr so effektiver arbeiten könnt – wir kooperieren mit euch. Vor einiger Zeit schlug mal jemand vor, man könne vielleicht mal eine Autistenpartei gründen. Damals antwortete ich, daß es dafür wohl keine Notwendigkeit gibt. Vielleicht habe ich mich geirrt? Welche relevante Partei vertritt in diesem Land denn eine klare Position gegen den stattfindenden sich mehr und mehr ausweitenden Völkermord? Mir ist keine bekannt.

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