Als Ausgleich für autismusbedingte Nachteile bestehen unter bestimmten Umständen Ansprüche auf Mehrbedarfe. Sozialhilfeempfänger mit Merkzeichen G können so pauschal einen Zuschlag von 17% auf den ihnen persönlich zustehenden Regelsatz erhalten. Diese 17% bekommen laut dem folgend zitierten Schreiben auch Empfänger von ALG2, welche Merkzeichen G besitzen und theoretisch aufgrund des Alters oder voller Erwerbsminderung ohne Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse Anspruch auf Grundsicherung hätten:

Zitat:

“Nach § 30 Abs.1 SGB XII (Sozialhilfe) erhalten Leistungsberechtigte, die voll erwerbsgemindert […] und im Besitz eines Ausweises nach § 69 Abs.5 SGB IX mit dem Merkzeichen G sind, Leistungen für einen Mehrbedarf in Höhe von 17 v.H. des maßgebenden Regelsatzes. Um unbillige Ergebnisse zu vermeiden, ist bei den Personen, die einen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII haben oder nur wegen der Berücksichtigung von Einkommen und/oder Vermögen nicht haben, auch der nach dem SGB II zugrunde zu legende Bedarf um 17 v.H. der individuellen Regelleistung zu erhöhen.”

Quelle: Schreiben des BMWA’s vom 2.9.05 an den Petitionsausschuss des Bundestags (AZ: IIB-45-Schramm-) http://www.bag-shi.de/fachinfo/sozialpol_infos/060106_Anl1_Neues_aus_Har…

Das erste Gesetzeszitat bezieht sich auf ALG2 (bekommen Erwerbsfähige), das zweite auf Sozialhilfe (bekommen nicht Erwerbsfähige). Nicht zitiert wird SGB2 §28, in dem unter anderem ein vergleichbarer Anspruch auf Mehrbedarf für Angehörige des Antragstellers geregelt wird.

Zitat:

“SGB2 § 21 Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt

  1. Leistungen für Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 5, die nicht durch die Regelleistung abgedeckt sind.

[…]

  1. Erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 des Zwölften Buches erbracht werden, erhalten einen Mehrbedarf von 35 vom Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
  2. Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, erhalten einen Mehrbedarf in angemessener Höhe.
  3. Die Summe des insgesamt gezahlten Mehrbedarfs darf die Höhe der für erwerbsfähige Hilfebedürftige maßgebenden Regelleistung nicht übersteigen.”

Quelle: http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_2/__21.html

Zitat:

“SGB12 § 30 Mehrbedarf(1) Für Personen, die

  1. die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
  2. die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind, und durch einen Bescheid der nach § 69 Abs. 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs. 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert des maßgebenden Regelsatzes anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

[…]

  1. Für behinderte Menschen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben und denen Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 geleistet wird, wird ein Mehrbedarf von 35 vom Hundert des maßgebenden Regelsatzes anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Satz 1 kann auch nach Beendigung der in § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 genannten Leistungen während einer angemessenen Übergangszeit, insbesondere einer Einarbeitungszeit, angewendet werden. Absatz 1 Nr. 2 ist daneben nicht anzuwenden.
  2. Für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
  3. Die Summe des insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe des maßgebenden Regelsatzes nicht übersteigen.”

Quelle: http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_12/__30.html

Autisten haben nicht selten auch Gluten- oder Lactoseallergien, die sich z.B. auf deren geistige Leistungsfähigkeit auswirken. Nach diesem Begutachtungsleitfaden ist für eine glutenfreie Kost in der Regel ein Mehrbedarf von 66,46€ anzusetzen, für lactosefreie Kost ist uns bisher kein Richtwert bekannt. Die Mehrkosten können übernommen werden, wenn eine ärztliche Bescheinigung zu dem Zusammenhang vorgelegt wird. Neben Empfehlungskatalogen wie dem folgend im Zitat genannten, welche keine Gesetzeskraft besitzen, sollte immer auch eine Einzelfallprüfung möglich sein, besonders wenn die tatsächlichen Mehrkosten höher ausfallen.

Zitat:

“In der Regel werden die Aufwendungen für Krankheiten gewährt, bei denen die Notwendigkeit einer kostenaufwändigeren Ernährung nach den Empfehlungen des Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge (DV) anerkannt sind.”

Quelle: http://www.behindertenbeauftragter.de/index.php5?nid=33

Nach der Rechtsprechung besteht nicht nur Anspruch auf Mehrbedarfe für besondere medizinisch notwendige Ernährung, sondern z.B. auch für medizinisch notwendige Pflegeprodukte. Das gilt auch, wenn die Kosten von Monat zu Monat stark schwanken. Laut BSG B 1 KR 10/07 R sind jedoch bei Übernahme der Kosten durch eine Krankenkasse die Zuzahlungen der gesetzlichen Krankenkassen von 1% der jährlichen Bruttoeinnahmen bei chronischem (dauerhaften) Bedarf und 2% bei nicht chronischem Bedarf auch bei ALG2 rechtmäßig, da ALG2 über dem verfassungsmäßig garantierten Existenzminimum liege. Zudem sei dazu besonders das Urteil SG Lüneburg S 30 AS 328/05 ER zitiert:

Zitat:

“Die im Antrag angegebene Höhe der Ausgaben mit ca. 240,– Euro monatlich ist jedoch nicht glaubhaft gemacht, jedenfalls nicht als Bedarf, der in dieser Höhe regelmäßig jeden Monat anfällt. Die (Anfang Juli) vorgelegten Nachweise für den Monat Juni belegen Kosten in Höhe von 92,67 Euro. Es ist daher davon auszugehen, dass der Bedarf entsprechend dem Gesundheitszustand von D. erheblich schwanken kann. Aus diesem Grund sind die Kosten von der Antragsgegnerin jeweils in der Höhe zu übernehmen, wie sie nachgewiesen werden.Die Leistungen sind nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II als Darlehen zu erbringen. Allerdings erscheint problematisch, dass dieses Darlehen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10 vom Hundert der an die Antragstellerin zu zahlenden Regelleistung zu tilgen ist. Im Hinblick auf die Höhe der zu gewährenden Leistungen könnte darin möglicherweise ein Verfassungsverstoß liegen. Wie oben bereits dargelegt, ist im Rahmen des Eilverfahrens davon auszugehen, dass es sich um einen medizinisch notwendigen Bedarf an Heil- und Körperpflegeprodukten handelt. Dieser ist im speziellen Fall des Kindes D. überdurchschnittlich hoch. Aus diesem Grund reicht die Regelleistung zur Deckung des Bedarfes nicht aus. Das SGB II muss jedoch, um eine Grundsicherung zu gewährleisten, einen solchen medizinisch notwendigen Bedarf gewähren. Zwar gibt es keine Vorschrift im SGB II, wonach in besonders begründeten Einzelfällen die Regelleistungen zu erhöhen wären oder eine nicht rückzahlbare Beihilfe zu zahlen wäre. Jedoch gebietet der Individualisierungsgrundsatz, dass dieser Bedarf zu decken ist. Der Individualisierungsgrundsatz ist Ausdruck der an der Menschenwürde ausgerichteten Zielsetzung der Sozialhilfe und damit verfassungsrechtlich unverzichtbar (Brünner in LPK-SGB II, Rn. 22 zu § 20). Im früheren BSHG war der Individualisierungsgrundsatz in § 3 geregelt. Eine entsprechende Regelung findet sich heute in § 9 SGB XII; im SGB II ist jedoch keine entsprechende Vorschrift vorhanden. Eine Öffnung der Regelleistung für die individuelle Bedarfssituation ist damit weitgehend verhindert (Hauck/Noftz SGB II, Rn. 6 zu § 20). Da es jedoch – wie im vorliegenden Fall – in Einzelfällen vorkommen kann, dass die Regelleistung für den individuell anzuerkennenden Bedarf nicht ausreicht, würde in derartigen Einzelfällen die Regelleistung das soziokulturelle Existenzminimum nicht mehr abdecken. Sie wäre damit unangemessen niedrig und verfassungswidrig. In diesen Fällen ist es angebracht, im Wege der verfassungskonformen Auslegung im Einzelfall einen höheren Bedarf anzuerkennen (Eicher/Spellbrink, SGB II, Rn. 8 zu § 20; Brünner in LPK-SGB II, Rn. 23 zu § 20). Da im Fall des Kindes der Antragstellerin die Kosten für Heil- und Körperpflegemittel zur Gewährleistung der medizinischen Versorgung und zur Gesunderhaltung notwendig sind, könnte in der Rückforderung des Darlehens möglicherweise ein Verfassungsverstoß liegen, weil die Tochter der Antragstellerin dann durch Wahrnehmung ihres Grundrechtes aus Artikel 2 Grundgesetz auf Dauer finanziell benachteiligt wird.”

Quelle: http://www.my-sozialberatung.de