“RF” bedeutet rundfunkgebührenbefreit, seit der Einführung des Rundfunkbeitrags Anfang 2013 wird gemäß §4 Abs. 2 RBStV keine volle Befreiung mehr gewährt, sondern lediglich eine Ermäßigung auf ein Drittel. Die Anspruchsvoraussetzungen hatten sich im Zuge der Einführung des Rundfunkbeitrags nicht geändert.

Autisten erfüllen die Voraussetzungen für RF, wenn sie wegen Reizüberflutung, daraus aufgrund derartiger Barrierelastigkeit entstehendem Leiden und Unfähigkeit der Veranstaltung halbwegs zu folgen nicht in der Lage sind öffentliche Veranstaltungen unter zumutbaren Bedingungen zu besuchen.

Bis heute wird vom Behörden und auch manchen Gerichten bei Autisten darauf verwiesen, daß nur bei einem GdB von 80 das Merkzeichen RF zuerkannt werden kann. Das ist so jedoch nicht korrekt wie z.B. aus LSG Berlin-Brandenburg Az. L 13 SB 1/11 vom 22.08.2013 deutlich wird. In diesem Fall war dem Kläger Agoraphobie attestiert worden, was rechtlich gut vergleichbar mit den Folgen von Barrieren für Autisten ist:

Zitat:

“Ein ständiger Ausschluss von der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen kann auch beim Vorliegen psychischer Erkrankungen gegeben sein (vgl. BSG, Urteile vom 16. Februar 2012 – B 9 SB 2/11 R und vom 28. Juni 2000 – B 9 SB 2/00 R -; Urteil des Senats vom 14. März 2013 – L 13 SB 76/11 – und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Januar 2013 – L 3 SB 3862/13 -). Nach dem zitierten Urteil des BSG vom 16. Februar 2013 liegt ein gesundheitlich bedingter Härtefall, der die Zuerkennung des Merkzeichens ‚RF‘ rechtfertigt, regelmäßig auch dann vor, wenn eine Person mit einem GdB von weniger als 80 wegen eines besonderen psychischen Leidens ausnahmsweise an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen kann. Insoweit handelt es sich allerdings wegen des Nichterreichens eines GdB von 80 um einen nach landesrechtlichen Voraussetzungen geregelten Härtefall, so dass die Befreiung bzw. Ermäßigung in das Ermessen der Rundfunkanstalt gestellt ist.

Dies zugrunde gelegt liegen zur Überzeugung des Senats die gesundheitlichen Voraussetzungen für das von der Klägerin begehrte Merkzeichen ‚RF‘ ab der Antragstellung im Jahre 2009 vor. Der Senat folgt insoweit der Einschätzung des Sachverständigen Dr. M, der nachvollziehbar dargelegt hat, dass die Klägerin aufgrund der bestehenden Agoraphobie seit der Antragstellung unverändert nicht in der Lage ist, an entsprechenden Veranstaltungen im zuvor skizzierten Sinne teilzunehmen. Er hat überzeugend ausgeführt, dass die bei der Klägerin bestehenden Ängste und Phobien verbunden mit Panikstörungen auf schwerwiegende Traumatisierungen in der Kindheit, Jugend und Ehe zurückzuführen sind. Aus den Feststellungen des Sachverständigen ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass diese Störungen nahezu unverändert fortbestehen. Zwar gelingt es der Klägerin zwischenzeitlich gelegentlich Einkäufe im geringen zeitlichen Umfang selbst zu tätigen und in Begleitung ihrer Tante vereinzelt Straßenbahn und Bus zu fahren. Gleichwohl leidet sie unverändert an einer schweren Persönlichkeitsstörung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die dazu führen, dass
Menschenansammlungen von der Klägerin weitestgehend gemieden werden. Aufgrund des von dem Sachverständigen Dr. M beschriebenen Gesamtbildes der bei der Klägerin bestehenden psychischen Störungen mit zeitweiligen Panikattacken ist auch der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin nicht in der Lage ist, an öffentlichen Veranstaltungen jeglicher Art teilzunehmen, die länger als 30 Minuten dauern. Die im Befundbericht des Dr. K vom 14. März 2000 nicht nähere belegte und zudem bloße Einschätzung des behandelnden Arztes, dass die Klägerin in Begleitung und auf Drängen einer Begleitperson in der Lage sei, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen steht dem nicht entgegen.

Der Ausschluss der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen führt dazu, dass mit Blick auf den zuerkannten GdB von 80 ab dem 1. Dezember 2009 ab diesem Zeitpunkt die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens ‚RF‘ gegeben sind. Für die Zeit zuvor bis zur Antragstellung ist der GdB zwar – wie nachfolgend dargelegt – lediglich insgesamt mit 70 zu bewerten. Die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens ‚RF‘ sind indes gleichwohl auch für diesen Zeitraum erfüllt, weil die psychische Störung der Klägerin wegen der anhaltenden Phobien insoweit nicht anders zu bewerten ist und die Erhöhung des GdB von 70 auf 80 allein auf einer Änderung der Funktionsbeeinträchtigungen des Wirbelsäulenleidens beruhen, mithin keine signifikante Abweichung gegeben ist, die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens ‚RF‘ für die Zeit vor dem 1. Dezember 2009 anders zu beurteilen. Für die Zeit vor dem 1. Dezember 2009 wird jedoch ggf. die Rundfunkanstalt darüber zu befinden haben, ob sie einen Härtefall als gegeben ansieht.”

Quelle: LSG Berlin-Brandenburg Az. L 13 SB 1/11 vom 22.08.2013 http://www.anhaltspunkte.de/rspr/urteile/L_13_SB_1.11.htm

In den meisten Broschüren steht, daß die Nichtzugänglichkeit für alle Veranstaltungen gelten muß, was jedoch von der Rechtsprechung nicht geteilt wird und somit eine Falschinformation ist. Aus einem Urteil hierzu, das sinngemäß Aufschluß über die anzulegenden Maßstäbe gibt:

Zitat:

“Insoweit beruft sich der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 02.05.2002 zu Unrecht auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 03.06.1987 – 9a RVs 27/85 -. Zwar hat das Bundessozialgericht in dieser Entscheidung festgestellt, dass es einem Behinderten zuzumuten ist, die Hilfe Dritter bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen und dass daher ein Behinderter der von einer dritten Person in einem Rollstuhl geschoben werden muss, nicht grundsätzlich von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen ist. Allerdings darf diese Entscheidung nicht so ausgelegt werden, dass damit praktisch jeder Behinderte noch als fähig angesehen wird, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Beschränkt man nämlich die Feststellung des Bundessozialgerichts allein auf die Tatsache, dass ein Behinderter noch zu einer öffentlichten Veranstaltung hingeschoben werden kann, so ist der Besuch von öffentlichen Veranstaltungen praktisch jedermann möglich, denn nur in seltenen Ausnahmefällen und bei schwersten akuten Erkrankungen wird es nicht möglich sein, einen behinderten Menschen in einen Rollstuhl zu setzen und zu einer öffentlichen Veranstaltung zu transportieren.Entscheidendes Kriterium für die Beurteilung, ob jemand noch an öffentlichen Veranstaltungen in zumutbarer Weise teilnehmen kann, ist daher nicht die Frage, ob dieser Behinderte in einem Rollstuhl zu einer öffentlichen Veranstaltung hin- und zurücktransportiert werden kann, sondern entscheidend kann nur die Frage sein, ob der behinderte Mensch in ähnlichem Umfang von öffentlichen Veran­staltungen ausgeschlossen ist, wie der in der Punkt 33 der “Anhaltspunkte” aufgeführte Personenkreis, dem der Nachteilsausgleich “RF” grundsätzlich, ohne weitere Prüfung, gewährt wird.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der in Punkt 33 der Anhaltspunkte aufgeführte Kreis von Behinderten auch ohne weiteres in der Lage wäre, mit Hilfe von Begleitpersonen an einer öffentlichen Veranstaltung teilzunehmen. Sowohl hochgradig Sehbehinderte (Punkt 33 (2) a) wie auch Behinderte mit schweren Bewegungsstörungen (Punkt 33 (2) c), können grundsätzlich unproblematisch an verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen. Für Hörgeschädigte (Punkt 33 (2) b) gibt es sogar spezielle öffentliche Veranstaltungen. Gleichwohl schreiben die “Anhaltspunkte” vor, dass ab einem GdB von 50, das entspricht “lediglich” einer beiderseitigen hochgradigen Schwerhörigkeit (gemessen ohne Hörhilfe) der Nachteilsausgleich “RF” in der Regel zu gewähren ist, obwohl keineswegs ersichtlich ist, warum diese Behinderten nicht z.B. an einer Sportveranstaltung oder ähnlichem teilnehmen könnten.”

Quelle: SG Düsseldorf – Urteil vom 23.12.2002 – Az.: S 31 SB 197/02 http://www.anhaltspunkte.de/rspr/urteile/sg_duess%2023.12.02%20197.02.htm

Im übrigen ist bei der Prüfung der Voraussetzungen (Zitat aus dem untern erwähnten Urteil) “zu berücksichtigen, dass im allgemeinen auf einen Rollstuhlfahrer in der Öffentlichkeit mehr Rücksicht genommen wird als auf einen Menschen, der nicht offensichtlich schwer behindert ist.” Das dürfte bei Autisten zweifellos der Fall sein.

Quelle: Bayerisches Landessozialgericht – Urteil vom 30.06.2005 – Az.: L 15 SB 106/04 http://www.anhaltspunkte.de/zeitung/urteile/L_15_SB_106.04.htm