Viele nichtautistische Eltern sind mit ihren autistischen Kindern überfordert und suchen die Schuld an dieser Überforderung und den daraus resultierenden Problemen gerne bei denselben, wohl u.a. auch aufgrund mangelnder Bereitschaft das eigene Wertesystem zu hinterfragen und am eigenen Verhalten zu arbeiten. Autistische Kinder würden sich wie Nichtautisten gerne vermuten mutwillig „unmöglich“ verhalten. Dass solches unerwünschte Verhalten immer Ursachen hat und häufig auch Reaktionen auf akute Überlastung darstellt, wird von den Eltern oft nicht beachtet oder auch nur ernsthaft erwogen. Die Lösung vieler Eltern und „Fachleute“ besteht darin, dass das Kind mittels möglichst „wirksamer“ Therapien zu lernen hat, sich entgegen der eigenen Natur oft unter erheblicher Gewaltanwendnung anzupassen, was faktisch bedeutet, dass das Kind zu einem Nichtautisten gemacht werden soll. Schäden, die durch solche Umerziehungsversuche, zum Beispiel bei Homosexuellen oder auch Linkshändern, verurusacht werden, gelten heute als erwiesen. Bei Autisten werden weiterhin solche Methoden angewandt, ohne, dass diesbezüglich erkennbar ethische Bedenken geäussert würden. Dadurch wird auf die Kinder seitens Eltern und Therapeuten oft unmenschlicher Anpassungsdruck ausgeübt, der die Kinder häufig traumatisiert, bricht, an den psychischen Abgrund treibt, lebensuntüchtig und krank macht.

Applied Behaviour Analysis (ABA) gilt seit geraumer Zeit in einigen Kreisen als einzige „wissenschaftlich erwiesene“ Methode, mit der Autisten sich Fertigkeiten aneignen und dadurch zu vollwertigen Mitgliedern dieser Gesellschaft werden könnten. Damit wird besonders von Einrichtungen geworben, die teils erhebliche Summen mit dieser Therapie umsetzen. Vertreter dieser Methode behaupten entgegen offensichtlicher Tatsachen, es sei für Autisten unmöglich, auf natürlichem Weg zu lernen oder sich weiterzuentwickeln (http://www.sentex.net/~nexus23/naa_aba.html). Tatsächlich handelt es sich bei ABA um eine Methode, deren Prinzipien auch auf die Umerziehung von Homosexuellen verwendet wurden. ABA basiert darauf, dass versucht wird, vermeintlich sinnlose Verhaltensweisen, die oft auch allgemeinmenschliche Überlastungsreaktionen darstellen, zu „löschen“, ferner werden sämtliche – vor allem lebenspraktische – Fertigkeiten, die erlernt werden sollen in kleinste Schritte zergliedert und diese den Kindern durch ständiges Wiederholen andressiert. So brauchte Lovaas z.B. 90.000 Versuche, um einem autistischen Jungen eine verbale Äusserung beizubringen (Lovaas 1977), weitere Studien weisen ähnlich hohe Versuchszahlen auf, wobei der Lernerfolg keineswegs garantiert werden kann. Ein weiteres Kind wurde mit 24.000 Versuche, ihm Sprachverständnis beizubringen, traktiert – freilich ohne Erfolg (Eikeseth und Jahr 2001). Dasselbe Kind erlangte, sobald es ohne ABA schriftliche Texte zur Verfügung gestellt bekam, in weniger als 100 Versuchen beachtliche Sprachkompetenz, indes zeigten sich Ansätze von ABA, Autisten mittels Texten Sprache beizubringen kaum Erfolg (Lovaas und Eikeseth 2003). Angesichts solcher Beispiele gerät die angebliche wissenschaftliche Erwiesenheit doch sehr stark ins Wanken.

Auch in Fällen, wo es an sich offensichtlich sein sollte, dass das Kind auch ohne oder unabhängig von ABA lernfähig ist, stellen es viele Eltern gerne so dar, als ob das Kind ohne ABA nichts können würde. So schrieb beispielsweise eine Mutter in einem Blogkommentar:

„My daughter has made great strides with ABA therapy as well. I mean I don’t think there’s any question of the effectiveness of it for enabling autistic children to learn. Every single thing she knows, she learned from ABA. This is fact. Except for the things that seem to be her gifts. She spelled words with refrigerator magnets long before ABA therapy. She plays the piano almost in spite of ABA therapy. She taught herself to read without the use of ABA therapy. Adding and subtracting. She was obsessed with numbers and sequences of numbers before ABA.

Having said that, she had no language before ABA, no eye contact, no social skills, absolutely ignored everyone and everything. […]

ABA changed all those things in 1 year. „(http://blisstree.com/feel/what-i-think-about-aba-and-recovery/comment-pa…

Übersetzung: Meine Tochter machte ebenfalls grosse Fortschritte mit der ABA-Therapie. Ich meine, ich denke nicht, dass die Wirksamkeit der Therapie, autistischen Kindern das Lernen zu ermöglichen, in Frage steht. Jedes einzelne Ding, das sie kann, hat sie von ABA gelernt. Das ist Fakt. Abgesehen von den Dingen, die ihren Talenten entsprechen. Sie buchstabierte lange vor der ABA-Therapie Wörter mit Kühlschrankmagneten. Sie spielt trotz ABA-Therapie Klavier. Sie brachte sich selbst ohne den Einsatz von ABA-Therapie das Lesen bei. Addieren und Subtrahieren. Sie war vor ABA von Zahlen und Zahlenreihen besessen.

Nichtsdestotrotz hatte sie vor ABA keine Sprache, keinen Augenkontakt, keine soziale Kompetenz, ignorierte völlig jeden und alles.

ABA veränderte alle diese Dinge in einem Jahr“)

In Deutschland findet ABA zunehmend Verbreitung. Dass dabei grundlegende Menschenrechte verletzt werden und autistischen Kindern z.B. Gesundheit und freie Entfaltung der Persönlichkeit nicht zugestanden werden, ohne, dass dabei die eigenen Ansprüche von ABA auch nur ansatzweise erfüllt würden, findet hierbei anscheinend keine Berücksichtigung.

Grundlagen

Auf Websites von ABA-Anbietern wird grundsätzlich mit dem bereits erwähnten Schlagwort der wissenschaftlichen Erwiesenheit geworben und ausdrücklich betont, dass ABA sich die grundlegenden Erkenntnisse der Lernpsychologie zueigen mache und ABA eben nicht mehr stures Auswendiglernen beinhalte, als andere Lernmethoden, bei denen auch grundlegende Fertigkeiten auswendig gelernt werden müssten. Jeder, der Lernpsychologie nicht vollkommen ablehnt, muss also, so die wohl unhaltbare Schlussfolgerung von ABA-Vertretern, auch ABA befürworten. Faktisch vertritt der ABA-Ansatz auch ein ganz bestimmtes Weltbild. So genannte „positive Verstärker“ sollen das autistische Kind nach einem von nichtautistischen Erwachsenen gemachten Plan dazu animieren, das zu tun, was von ihm erwartet wird. Eltern sollen die komplette Kontrolle über das Umfeld des Kindes erlangen, dem Kind zeigen, dass sie ganz genau wissen, wofür sich es sich interessiert und dem Kind nur dann für das Kind interessante Gegenstände zur Verfügung stellen oder solche Tätigkeiten erlauben, wenn es die gestellten Aufgaben zur Zufriedenheit der Eltern erfüllt wurden. Verhalten, das aus Sicht der Eltern unangemessen erscheint, soll konsequent unterbunden und dadurch „gelöscht“ werden.

Einer der grössten ABA-Anbieter in Deutschland stellt die Grundlagen des zeitgenössischen ABA/VB (VB steht für Verbal Behaviour, dazu siehe weiter unten) in sieben Schritten wie folgt dar. Diese Schritte sollen deswegen wirksam sein, weil sie eine Barriere darstellen, „welche den Zugang Ihres Kindes zu unverdienter Verstärkung blockiert“. So sollen die Eltern in einem ersten Schritt, dem Kind aufzeigen, dass sie die Kontrolle über sämtliche Gegenstände besitzen, die das Kind interessant findet. Die Eltern haben die Macht zu entscheiden, wann sich ein Kind, wie lange, womit beschäftigt. Das Kind soll sich die Beschäftigung mit seinen bevorzugten Gegenständen erstmal durch Kooperation verdienen. Im Idealfall sollen die bevorzugten Spielsachen des Kindes so aufbewahrt werden, dass sie das Kind zwar sehen, aber nicht erreichen kann, zumindest soll auf jeden Fall sichergestellt werden, dass das Kind genau weiss, wo die Sachen aufbewahrt werden. Ersatzinteressen sind ebenso unzulässig. Ferner sollen die Eltern oder Therapeuten im Rahmen einer ABA/VB-Therapie eine Beziehung zu ihrem Kind aufbauen, so dass das Kind die Eltern oder Therapeuten mit positiver Verstärkung in Verbindung bringt (sog. Pairing). Das Kind soll vermittelt bekommen, dass es mit den Eltern Spass haben kann und dies auch nur, wenn es sich so verhält, wie dies von den Eltern erwünscht ist. Auch während der Zeit, in der das Kind die Erlaubnis hat zu spielen, soll „unangemessenes“ Verhalten sofort unterbunden werden. So soll sich ein Kind, währenddessen es Musik hören darf, beispielsweise nicht aus dem Raum entfernen oder anderweitig „unangebracht“ verhalten, was dazu führen soll, dass die Musik, solange das Kind dem „unangebrachten“ Verhalten nachgeht, ausgeschaltet wird. Drittens sollen die Eltern eine vertrauensvolle Beziehung zu ihren Kindern aufbauen und stets meinen, was sie sagen. Dies bedeutet auch, dass sich die Eltern so ausdrücken sollen, dass das Kind sich notwendigerweise dazu „entscheiden“ wird, das auszuführen, was von ihm erwartet wird. Ohne in Zynismus zu verfallen, lässt sich solches Verhalten, das faktisch keine Alternativen offenlässt, wohl kaum als freie „Entscheidung des Kindes“ betrachten. Daran knüpft auch der vierte Punkt an, das Kind soll nämlich lernen, dass faktisch der einzige Weg, sich mit für es interessanten Dingen zu beschäftigen, darin besteht, das zu tun, was von ihm erwartet wird. Solange das erwünschte Verhalten nicht gezeigt oder die gestellte Aufgabe nicht gelöst wird, soll das Kind keinen Zugang zu einer positiven Verstärkung erlangen. Fünftens soll das Erfüllen von gestellten Aufgaben z.B. mit dem zuvor weggenommenen Spielzeug konsequent belohnt werden. Das Ziel ist, dass das Kind von selbst auf die Eltern zukommen und auf Anweisungen warten wird, damit es sich wieder mit interessanten Dingen beschäftigen kann. Von Selbstbestimmung, wie sie gemäss UN Konvention über die Rechte behinderter Menschen auch Autisten zukommt, kann hier wohl keine Rede sein. Ausserdem sollen die Eltern, um einen reibungslosen Ablauf der anderen Punkte zu garantieren, die Interessen des Kindes genausogut kennen, wie ihre eigenen. Kein Interesse des Kindes soll unerkannt und ungenutzt bleiben. Mögliche Verstärker sollen variiert werden, damit das Kind nicht plötzlich das Interesse an ihnen verliert. Auch sollen die Lieblingsdinge des Kindes nicht bei alltäglichen Aufgaben zum Einsatz kommen, sondern bevorzugt bei solchen, die dem Kind am meisten Mühe bereiten und die aus Sicht der Eltern besonders wichtig sind, wie beispielsweise Spracherwerb. Abschliessend soll das Kind lernen, dass Nichtkooperation unter keinen Umständen zum Erhalt von Verstärkern führt. Sämtliche unangemessenen Verhaltensweisen des Kindes sollen konsequent unterbunden werden. Dies soll, wenn sich das Kind beispielsweise von einer Aufgabe entfernt, ohne diese gelöst zu haben, durch Ignorieren des Kindes erfolgen.

Verhaltensweisen, wie sie während einer ABA-Therapie, beispielsweise durch konsequentes Ignorieren, Verbot von Lieblingstätigkeiten oder auch Wegnahme von Lieblingsdingen empfohlen werden, werden, ausserhalb von ABA, gemeinhin Mobbingsituationen zugerechnet. Auch muss die Wegnahme und absolute Kontrolle über das Spielzeug des Kindes auf das Kind bestrafend wirken, was dann die Schlussfolgerung zulässt, dass auch zeitgenössisches ABA/VB Aversiva einsetzt, lediglich nicht so offensichtlich, wie die klassische Variante von ABA, was die Schädlichkeit dessen nicht reduzieren muß.

Angebliche Widersprüche: Autismus und Intelligenz

Autismus und Intelligenz oder gar selbständiges Lernen scheinen für ABA-Vertreter unvereinbare Gegensätze zu sein, die ohne intensive ABA-Therapie keineswegs vereint werden könnten. Die erwiesene Tatsache, dass Autisten mitunter in bestimmten, sie interessierenden Bereichen zu Höchstleistungen fähig sind, ohne, dass ihnen diese Fähigkeiten von Therapeuten oder Eltern antrainiert wurden oder, dass heute erwachsene Autisten, die heutzutage wohl als „schwer betroffen“ eingestuft würden, ganz ohne je mit ABA behandelt worden zu sein, selbständig leben können und zum Teil in ihren Berufen überaus erfolgreich sind (dies wurde beispielsweise z.T. von Asperger 1944, Kanner 1973 sowie Szatmari et al. 1989 untersucht), findet bei Vertretern von ABA keine Beachtung. Teilweise werden von ABA-Vertretern sinnlose autistische Verhaltensweisen, was, je nach Definition, auch aussergewöhnliche Fähigkeiten in bestimmten Teilbereichen beinhaltet, sowohl als löschungswürdig, als auch als Verstärker, wohl je nach Situation, angewandt (http://gernsbacherlab.org/wp-content/uploads/papers/1/Dawson_AutisticLearning.pdf).

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu autistischem Lernen sind wenig ausgereift und häufig paradox. Ähnliche Aussagen wurden auch im Rahmen der Behandlung von Homosexuellen über Homosexuelle getroffen. Ebenso wie heute über Autisten, wurde beispielsweise über Homosexuelle behauptet, dass sie unfähig wären, antrainierte Fähigkeiten zu verallgemeinern und auch im Rahmen von Situationen anzuwenden, die nicht explizit geübt wurden (Rekers und Lovaas 1974). Die Unfähigkeit zu verallgemeinern scheint also vielmehr ein Problem darzustellen, das auftritt, wenn Menschen zu Verhaltensweisen gedrängt werden, die ihrer Veranlagung in hohem Masse widersprechen. Heute würde dies wohl kaum jemand von Homosexuellen behaupten, in Bezug auf Autisten sind solche Aussagen noch immer an der Tagesordnung.

Hintergründe

Bereits in den 1970er Jahren wurde an der University of California, Los Angeles (UCLA) mit finanzieller Beteiligung des National Institute of Mental Health von Lovaas, auf den die heutige ABA-Intervention zurückgeht, eine Studie, das Feminine Boy Project (FBP), durchgeführt, die zum Ziel hatte, mit den Prinzipien des operanten Konditionierens nach Skinner, Jungen, die als weiblich geltende Verhaltensweisen an den Tag legten, zu „richtigen“ Jungen zu erziehen. Von Videoaufnahmen, die jeweils vor und nach Beginn der Therapie gemacht wurden, wurde gesagt, die therapierten Kinder seien wie ausgewechselt und würden sich nach der Therapie in keiner Weise von anderen gleichaltrigen Jungen unterscheiden. Das Projekt geriet rasch in die Kritik, vor allem ethische Bedenken wurden, u.a. auch von heutigen Vertretern von ABA, geäussert. Es wurde gefordert, dass bei solch gravierenden Eingriffen in die Persönlichkeit eines Menschen, betroffene Interessengruppen, also z.B. Homsexuelle, Transsexuelle und Feministen, in die Entscheidungsprozesse und die ethische Debatte miteinbezogen werden sollten. Die Annahme, auf der die Studie beruhte, nämlich, dass Nicht-Heterosexuelle weniger wert und ohne Hilfe nicht fähig seien, ein glückliches, erfülltes Leben zu führen, wurde gründlich hinterfragt. Einer der zwei Jungen, deren Umerziehung im FBP als Erfolg gefeiert wurde, beging Selbstmord.

Am selben Forschungsinstitut wurde das „Young Autism Project“ gestartet, das ebenfalls von Lovaas geleitet wurde, der sich, als die staatliche Subventionierung für das FBP auslief, vom Projekt distanzierte. Der Ansatz war weitgehend derselbe, nur die Zielgruppe eine andere. Im Gegensatz zum FBP stellte die Frage Ethik, oder gar die Einbeziehung betroffener Interessengruppen, keine Kritikpunkte mehr dar und wurden bislang, mit Ausnahme des Einsatzes von massiven Aversiva, auch so gut wie nicht diskutiert. Autisten wurden keinerlei Mitspracherechte gewährt, was sich bis in die Gegenwart gehalten hat, obwohl mittlerweile hinreichend viele Autisten sich öffentlich zu ihrem Autismus bekennen und beweisen, dass sie durchaus in der Lage sind für sich selbst zu sprechen. Meist werden diese Autisten als lediglich „leicht betroffen“ dargestellt, die unmöglich die „schwer betroffenen“ Autisten verstehen könnten. Die offensichtlich irrige Annahme, dass Nichtautisten, die autistische Wahrnehmung oft nicht einmal ansatzweise nachvollziehen können, in der Lage sind, zu entscheiden, was für Autisten gut ist, wird hingegen als Tatsache dargestellt (http://www.sentex.net/~nexus23/naa_aba.html).

1987 veröffentlichte Lovaas eine Studie, die auch heute noch oft auf Websites von ABA-Anbietern zitiert wird. Dieser Studie zufolge erfüllten insgesamt 47% der 19 Vorschulkinder, die im Durchschnitt 40 Stunden wöchentlich ABA-Therapie erhielten, die Kriterien, die Lovaas für ein „recovery“ angesetzt hatte. Um Kritikern weniger Angriffsfläche zu bieten, wurde, um allfällige Placebo-Variablen auszuschliessen, eine weitere Studie innerhalb der Studie durchgeführt, um zu zeigen, dass ein Bestandteil von ABA der entscheidende Faktor für den Erfolg der Therapie war. Die Komponente, die diesbezüglich gesondert untersucht wurde, war der Einsatz von massiven Aversiva, der bei je vier Kindern der Experimental- und Kontrollgruppe variiert wurde. Die Fortschritte derjenigen Kinder, die nicht mit massiven Aversiva bedacht wurden, wurden von Lovaas als ungenügend und instabil beschrieben (Lovaas 1987; McEachin, J. J., Smith, T., & Lovaas, O. I. 1993). Auch dies ist an sich eher wieder ein starkes Indiz gegen die Argumentation der „wissenschaftlichen Erwiesenheit“, zumal massive Aversiva laut ABA-Anbietern angeblich nicht mehr zum Einsatz kommen würden (was aber faktisch nach wie vor der Fall ist, siehe oben).

Die Abkehr von massiven Aversiva zur „Spasstherapie“

In den vergangenen Jahren geriet ABA aufgrund des Einsatzes von massiven Aversiva zunehmend in die Kritik, bis eine Distanzierung von den offensichtlichen massiven Aversiva erfolgte. Nichtsdestotrotz wird weiterhin die Studie von Lovaas zitiert und die 47%, die den höchsten mit ABA erzielten „Erfolg“ darstellen (die darauffolgenden Studien, die ohne massive Aversiva arbeiteten, weisen im Grunde entweder verschwindend kleine Prozentsätze an „recoveries“ oder/und eklatante methodische Mängel auf), werden so dargestellt, als wären diese 47% die Erfolge des heutigen ABA, das, wie betont wird, ohne massive Aversiva arbeitet und „Spass“ in den Vordergrund stellt.

„Spass“ ist wohl eines der zeitgemäßen, modischen Schlagwörter, mit dem heutiges ABA angepriesen wird. Seit ABA in Kombination mit Verbal Behaviour (VB) praktiziert wird, soll sich die Methode grundlegend geändert haben. Das Kind soll vermittelt bekommen, dass es nur Spass haben kann, wenn es mit den Eltern oder den Therapeuten interagiert und, dass es sich nicht lohnt, nicht zu kooperieren, weil es dann keine positive Verstärkung erfährt. Die Eltern sollen die bevorzugten Spielsachen des Kindes kontrollieren und, abhängig vom Verhalten des Kindes, jeweils entscheiden, wann es sich womit, wie lange beschäftigen darf. Aus Elternsicht angemessenes Verhalten wird durch Verstärker belohnt, aus Elternsicht unangemessenes Verhalten soll möglichst „gelöscht“ werden. Das Können eines autistischer Jungen beispielsweise, der im Rahmen einer intensiven ABA-Intervention plötzlich erstaunliche Fähigkeiten im Kalenderrechnen an den Tag legte, wurde nach Bekanntwerden unterdrückt und der Kategorie der unangebrachten Verhaltensweisen zugerechnet (Epstein et al. 1985). Dies soll das Kind dazu bewegen, sich zu „entscheiden“, zu kooperieren, weil es nur dadurch die Möglichkeit hat, sich mit dem zu beschäftigen, das es tatsächlich interessiert. Ebenso ist augenscheinlich, daß sinnhafte aber unverstandene intutive Reaktionen von Autisten angegriffen werden, die in ihrer abweichenden Wahrnehmung begründet sind, im übertragenen Sinne Reaktionen wie die Schmerzreaktion auf einen Stachel im Fuß. Solche an sich gesunde Reaktionen wegen Unverständnis der Materie zu unterbinden läuft letztlich auf dadurch verursachte größere Gesundheitsschäden hinaus und die Verhinderung der Möglichkeit des Autisten selbst für sich ein angemessenes Lebensumfeld zu finden. So schrieb auch eine Autistin, an der ABA angewendet wurde, in einem US-Forum über ihre Therapieerfahrungen:

„When I was asked to do something in exchange for a reward that I wanted very much, eventually I just started to hate the whole process. It made me feel like I could never get a break, never relax, or I’d lose what I loved most… I felt totally helpless, like they were yanking me around on a string and could make me do whatever they wanted. My decisions weren’t my own“ (http://www.wrongplanet.net/postp2462249.html#2462249 Wenn ich gebeten wurde etwas für eine Belohnung, die ich sehr wollte, zu tun, begann ich den ganzen Vorgang zu hassen. Es gab mir das Gefühl, nie eine Pause zu bekommen, nie zu entspannen oder ich würde das verlieren, was ich am meisten liebte… Ich fühlte mich völlig hilflos, als ob sie mich auf einem Seil herumziehen würden und mich dazu bringen könnten alles zu tun, was sie wollten. Meine Entscheidungen waren nicht meine eigenen.).

Dadurch, dass sich Kinder ihre Freizeit faktisch erst verdienen müssen und nur dann ihren Interessen nachgehen können, wenn sie sich aus Elternsicht angemessen verhalten – wobei vernachlässigt wird, dass auch vermeintlich unangemessenes autistisches Verhalten immer Gründe hat und häufig auch auf allgemeinmenschliche Überlastungsreaktionen zurückzuführen ist – werden sie zu unselbständigen psychischen Wracks erzogen, die auf direkte Anweisungen angewiesen sind und durch ABA wohl auf effektive Weise zu leicht händelbaren Heimbewohnern gemacht werden – wobei solche Behindertenheime spätestens seit der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen Auslaufmodelle sind.

Vermeintlich Innovatives: Verbal Behaviour

VB wird heutzutage meist in Kombination mit ABA angeboten und als das innovative Element in ABA dargestellt, das zu einer grundlegenden Weiterentwicklung von klassischem ABA zu ABA/VB beigetragen hat. Die Grundlagen von VB gehen, ebenso wie diejenigen von ABA, auf Skinner zurück, der versuchte, aus verhaltensanalytischer Sichtweise eine theoretische Analyse der Sprache darzustellen. Auch kamen teilweise linguistische Modelle zum Einsatz (Skinner 1957). 1959 erschien vom Linguisten Noam Chomsky eine Besprechung Skinners Werk. Chomsky argumentierte, dass VB den sprachlichen Gegebenheiten nicht einmal ansatzweise gerecht werden könne und sie über Gebühr vereinfache. Würde man die von Skinner definierten Begriffe so verstehen, wie sie von Skinner definiert wurden, sei Skinners sprachliche Analyse offensichtlich falsch. Würden die Begriffe hingegen im übertragenen Sinn verstanden, so handle es sich lediglich um eine alltägliche Betrachtung der Sprache, die in einer wissenschaftlichen Sprache verfasst sei, so schreibt Chomsky: „This creates the illusion of a rigorous scientific theory with very broad scope, although in fact the terms used in the description of real-life and laboratory behavior may be mere homonyms“ (Chomsky 1959: 31). In behaviouristischen Kreisen wurde Chomskys Kritik wiederum Kritikgegenstand, wobei behauptet wurde, Chomsky habe Skinner in seiner Komplexität nicht erfasst (Kenneth MacCorquodale 1970; David C. Palmer 2006). Indes gilt ausserhalb des Behaviorismus seit Chomskys Kritik die Analyse von Skinner als widerlegt und wird höchstens unter historischem Gesichtspunkt betrachtet. VB wird heute vor allem zur „Behandlung“ von Autismus eingesetzt, wobei Chomskys Kritik keinerlei Beachtung findet und bei Darstellungen darüber, worum es sich bei VB handelt, nicht einmal ansatzweise diskutiert wird.

Siehe auch:

Unser Autismus-Lexikon

http://www.sentex.net/~nexus23/naa_aba.html

http://gernsbacherlab.org/wp-content/uploads/papers/Gernsbacher_Scientifically_Proven_JDLD_2003.pdf