Ob in der Vorgeschichte der BSG-Entscheidung oder z.B. hier, wenn Behörden oder andere Stellen etwas aus dem formalen Grund „fehlende Mitwirkung“ verweigern, dann ist das ein absoluter Klassiker in Verfahren, in denen Barrierefreiheit eingefordert, aber nicht gewährt wird. Denkmuster: Wenn der Rollstuhlfahrer nicht die vier Stockwerke Treppen ins Büro kommt, zu dem auch kein geeigneter Fahrstuhl führt, dann verweigert der Rollstuhlfahrer seine Mitwirkung.

Laßt euch davon nicht irritieren, denn wir haben das Recht auf Barrierefreiheit. Die Anforderungen an die Ausgestaltung von Barrierefreiheit im Fall eines bestimmten Autisten zu vermitteln erweist sich jedoch oft als heikel, besonders wenn in Behörden nur „Dienst nach Vorschrift“ herrscht (oder die Beweggründe vielleicht noch deutlich schlimmere wären).

Teils wird zu einem greifbaren Aspekt erläutert, wie dazu Barrierefreiheit aussehen könnte und später kommen aufgrund des Verhaltens von Behördenseite oder einfach neu aufgetretener Situationen im Verwaltungsgang weitere Aspekte hinzu, die dann zu einem späteren Punkt weitere Erläuterungen hinzukommen.

Wenn dann nach ablehnenden Bescheiden rechtlich dagegen vorgegangen wird, dann sollte beachtet werden, daß Klagen vor Gericht bei einer Ablehnung wegen „fehlender Mitwirkung“ formell juristisch betachtet keine normale Leistungsklage darstellen, sondern eine Anfechtungsklage. Um dies zu verdeutlichen wird hier aus BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 78/08 R zitiert, einer gerichtlichen Entscheidung, wie sie zu dieser Klageform im Internet zu finden ist.

„Die Vorschrift des § 54 Abs 4 SGG, deren Verletzung die Revision behauptet, ist für das Begehren nicht einschlägig. Nach § 54 Abs 4 SGG kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsaktes gleichzeitig die Leistung verlangt werden, wenn der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Die Regelung setzt nämlich voraus, dass die Verwaltung über die begehrte Leistung entschieden hat. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn der Leistungsträger die Leistung ohne abschließende Ermittlung bis zur Nachholung der Mitwirkung nach § 66 SGB I versagt. Gegen einen solchen Versagensbescheid ist grundsätzlich nur die Anfechtungsklage eröffnet (BSG SozR 1200 § 66 Nr 13; BSG SozR 4-1200 § 66 Nr 1).“

Quelle: https://openjur.de/u/169410.html

Das gilt entsprechend auch für andere Zweige der deutschen Gerichtsbarkeit:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG vom 17.1.1985 NVwZ 1985, 490) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH vom 18.8.2006 Az. 9 C 06.1845 ) beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Überprüfung eines auf die fehlende Mitwirkung des Leistungsantragstellers gestützten Verwaltungsakts auf die gesetzlich bestimmten Voraussetzungen für die Versagung der Leistung. Bei Rechtswidrigkeit des Versagungsbescheids genügt dessen Aufhebung, die Behörde hat dann über den geltend gemachten Sozialleistungsanspruch in der Sache selbst zu entscheiden. Demnach hätte der Kläger den Bescheid vom 29. März 2010 nur mittels Anfechtungsklage angreifen können. Sein Klageziel, die Beklagte zur Bewilligung von Wohngeld für den Bewilligungszeitraum von Dezember 2009 bis November 2010 zu verpflichten, kann er durch die von ihm erhobene Versagungsgegenklage nicht erreichen. Obwohl das Gericht den zuletzt anwaltlich nicht mehr vertretenen Kläger in der mündlichen Verhandlung am 26. April 2012 darauf explizit hinwies, stellte dieser dennoch den Verpflichtungsantrag entsprechend dem Schriftsatz seiner früheren Bevollmächtigten vom 9. Dezember 2010.“

Quelle: https://openjur.de/u/535345.html (VG München, Urteil vom 26.04.2012 – M 22 K 10.4598)