Autismus - ohne wäre die Normalität gestört

 

 

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Bundestagspetition 26687

Wortlaut der ESH-Petition:

„Wer kann entscheiden, welches Leben lebenswert ist und welches nicht? Ärzte aufgrund ihres fachbedingt mangelnden sozialwissenschaftlichen Verständnisses gesellschaftlicher Prozesse nicht. Dennoch wird in D Eugenik vor allem durch Entscheidungen der Ärzte betrieben, z.B. im Rahmen von Ausschlußkriterien für Samenbanken. Aber was unterscheidet einen einzelnen „Schwarzen“ von einem einzelnen Menschen m. „abstoßend wirkenden Entstellungen“ abgesehen von kulturbedingten Einstellungen so grundlegend?

Seit langer Zeit schwelt in unserer Gesellschaft bezüglich der sich immer weiter ausbreitenden Eugenik ein heftiger Streit, der sich auch quer durch den Bundestag zieht.

Die eine Seite hält es für grundsätzlich falsch, daß der Mensch sich selbst aktiv zu züchten beginnt, z.B. als genbasierte „Krankheitsvorsorge“ oder daß Menschen abgetrieben werden, weil sie Eigenschaften aufweisen, die die Gesellschaft aktuell vor allem negativ bewertet. Die andere Seite neigt dazu der Zucht des Menschen durch den Menschen aufgeschlossen gegenüberzustehen und auf die Selbstbestimmungsrechte der Eltern zu pochen.

Mir fällt auf, daß in dieser Debatte die jeweiligen Angehörigen der betreffenden Bevölkerungsgruppen (z.B. einzelne Behindertengruppen) und ihre Interessenvertretungen wenn überhaupt nur am Rande wahrgenommen werden. Dies halte ich für einen schwerwiegenden Fehler, weswegen ich umfassende Gesetzesänderungen nach folgendem Maßstab anregen möchte:

Prävention, selektiver Schwangerschaftsabbruch, Eugenik oder Gendiagnostik sowie Forschung mit vergleichbarer Zielsetzung ist bezüglich Gruppen verboten,
1. deren eigenorganisierte und nicht durch gruppenfremde Bevölkerungsgruppen (auch Familienangehörige) maßgeblich mitbeeinflußte Interessenorganisationen, Kulturvereine und dergleichen sich nicht selbst in maßgeblicher Mehrheit dafür aussprechen die eigene Bevölkerungsgruppe durch „Prävention“ in ihrem Nachwuchs zu mindern.
oder
2. aus deren Reihen es irgendwo auf der Welt eine „Pride“-Bewegung gibt.

Behinderung wird bis heute oft noch fälschlich als Personeneigenschaft betrachtet, statt als Form der Diskriminierung. Dennoch wissen wir mittlerweile, daß ein konsequent gedachtes soziales Behinderungsmodell der Realität entspricht: Nicht weil ein Mensch bestimmte Personeneigenschaften aufweist wird er an gesellschaftlicher Teilhabe gehindert, sondern aufgrund des Umstands, daß diese Eigenschaften statistisch untypisch sind.

Nehmen wir eine fiktive Welt an, in der fast alle Menschen Kiemen haben und auch unter Wasser leben. In dieser Welt wäre ein durchschnittlicher Deutscher nach unserem Verständnis schwer behindert, weil er an dieser Gesellschaft vermutlich nicht voll teilhaben könnte. Wäre nun Behinderung etwas, das eher von der Seite der Personeneigenschaften verursacht würde, dann gäbe es zwischen der fiktiven und unserer realen Welt keinen derart massiven Unterschied wie den, daß derselbe Mensch in der einen Welt „normal“ und in der anderen Welt behindert wäre. Dies beweist, daß der letztlich zufällige Umstand einer Minderheitenrolle Behinderung auslöst.

Durch die heutigen gesetzlichen Regelungen werden daher Menschen erheblich diskriminiert und einer völkermordartigen Situation ausgesetzt, eben weil sie gesellschaftlich diskriminiert werden. Nur wegen dieser diskriminiernden Haltungen wird ein Unterschied zwischen klassischen ethnischen „Säuberungen“ und der heutigen Eugenik konstruiert, den es jedoch eigentlich gar nicht gibt.“

Unser Stand beim lärmenden „Tag gegen Lärm“

In Burscheid im Bergischen Land fand am 25.04.2012 die zentrale Veranstaltung des Landes NRW zum „Tag gegen Lärm“ statt, zu der mitten in der Woche relativ wenige Besucher und überwiegend Schulklassen mit ihren Lehrern den Weg fanden. Die ESH vertrat dabei die Interessen von Autisten als Fachleuten für Lärm in eigener Sache, weil Lärm ihnen schwerwiegende gesundheitliche Probleme bereiten kann.

Aber ach: Wie prüft man, wie laut die eigene Stimme ist?
Man lärmt und lässt das messen!
Also keine Veranstaltung für Autisten und sonstige hörempfindliche Menschen, die aus eigener Erfahrung von den Folgen erzählen könnten!

Erlebnispädagogische Elemente, physikalische Erklärungen, Selbstversuche luden zur Auseinandersetzung mit Lärm an den auf dem Marktplatz aufgebauten Ständen ein. Aktionen, die einen ernsthaften Hintergrund hatten, wurden von einigen Schülern als großer Spaß empfunden. Für Stille und Ruhe war nur sehr wenig Platz eingeräumt, obwohl die Veranstaltung insbesondere durch die ministeriellen Beteiligungen mit einem aufwendigen Equipment hervorragend besetzt war. Den Organisatoren hätte man mehr Interesse an der vielfältigen Veranstaltung gewünscht, die mit einem zusätzlichen Bühnenprogramm abwechslungsreiche Unterhaltung bot.

Die ESH informierte die Besucher, überwiegend Lehrer und Schüler, was die übliche Geräuschkulisse einer Schulklasse für Folgen bei autistischen Schülern haben kann und dass Onlinebeschulung und soziales Miteinander diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen eindämmen können. Die Schüler erzählten von Mitschülern, die mit ihnen lernen aber doch ziemlich anders seien und Lehrer sprachen an, dass in ihrer Laufbahn eine zweigleisige Ausbildung stattfand. Durch die Inklusion seien sie nun gehalten, Kinder zu beschulen, für die sie nicht angemessen ausgebildet seien und deren Beschulung früher in die Hände von Sonderpädagogen gelegt worden sei. Es werde einiges versucht, aber es fehle an Information und deshalb wurde das Angebot der ESH begrüßt.

Die ESH empfiehlt für den nächsten „Tag gegen Lärm“, nicht einfach nur das Schreckliche der Lärmbelästigung hörbar zu machen, sondern auch das Angenehme der Stille empfinden zu lasse. Die Stille schreit danach, wiederentdeckt zu werden! Am „Tag gegen Gewalt“ werden ja auch keine Massenschlägereien organisiert.

Offener Brief an Volker Beck (Grüne) zum Thema Menschenfeindlichkeit

„Keine Partei darf solch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit tolerieren“

Wie ich dem SPON-Artikel http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,826025,00.html entnehme, sind sie der oben zitierten löblichen Ansicht.

Wenn wir relative Kleinigkeiten beiseite lassen wie etwa die parteioffizielle Verwendung des Begriffs „Autismus“ als Schimpfwort durch Frau Roth, fände ich es sehr interessant mit Ihnen zusammen zu überlegen, was genau denn eine solche untolerierbare gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit darstellt. Welche Maßstäbe sind hier angemessen?

Sie gehören nach dem was ich weiß einer Bevölkerungsgruppe an, die noch vor wenigen Jahrzehnten hochoffiziell pathologisiert wurde. Wir Autisten werden jedoch wie auch z.B. Gehörlose weiterhin offiziell als krank eingestuft, obwohl wir uns dagegen verwahren krank oder „schadhaft“ zu sein. Diese Einordnung hat u.a. zur Folge, daß man Autisten und Gehörlose legal abtreiben darf, wohingegen man auf Grundlage der nicht selektiven Fristenlösung lediglich straffrei und unter Auflagen abtreiben darf. Dies klingt zunächst nicht besonders relevant, zieht jedoch auch etliche schwere juristische Folgen nach sich, wie etwa die Möglichkeit „Schadenersatz“ von Ärzten einzuklagen, wenn diese nicht auf die Möglichkeit hinwiesen das Kind zu einer Bevölkerungsgruppe zählen dürfte, die man legal abtreiben darf oder die sehr verschiedene juristische Bewertung des Einsatzes entsprechender diagnostischer Verfahren. Würden Homosexuelle heute noch als krank eingestuft, wäre es vermutlich entsprechend der geltenden Rechtslage legal homosexuelle Kinder abzutreiben. Wie stehen Sie zu dieser gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit auch angesichts der Tatsache, daß diese Regelung in der Regierungszeit der Grünen im Bund nicht humanisiert wurde? Finden Sie es verwerflicher Phrasendrescher zu tolerieren oder eine Gesetzessituation die lebenspraktisch darauf ausgerichtet ist Bevölkerungsgruppen mittels eugenischer Selektion auszumerzen?

Ihrer Antwort sehe ich mit Freude entgegen. Diesen Brief behandele ich aufgrund der allgemeinen Relevanz und Ihrer eigenen Präferenz für öffentliche Thematisierungen als Offenen Brief.

Unser „Stand“ beim 3. Autismus-Kongress in Frankfurt 2012

Die ESH nahm als „Posterdozent“ bei dem 3. Autismus-Kongress Frankfurt 2012 (in Kooperation mit dem Niederländischen „Nationaal Autisme Kongress – Rotterdam“ und dem „Internationalen Symposium zur Intervention bei autistischen Störungen“) teil und erntete dabei wohlwollende bis skeptisch-kontroverse Reaktionen.

Autisten, die an Kongressen wegen gesundheitsschädigender Rahmenbedingungen nicht teilnehmen wollen oder können, stellte diese „Posterpräsentation“ eine wenn auch bescheidene aber doch kleine barrierefreie Möglichkeit dar, zur Sprache zu kommen. Diese fand in unmittelbarer Nähe des Caterings statt, so dass die Teilnehmer des Symposiums bei einer Tasse Kaffee lesen konnten oder nach den Mahlzeiten mit den Posterdozenten Kontakt aufnehmen konnten. Im Gegenzug konnten Posterdozenten unmittelbar Kontakt aufnehmen, um in der kurzen verbleibenden Zeit während des Programms Neugier auf die eigenen Aussagen zu lenken oder für Fragen und Diskussionen zur Verfügung zu stehen.

Wir präsentierten grundlegende politische Forderungen, verteilten die Kontaktdaten der ESH und nahmen an den zwei Workshops „Aktueller Stand der medikamentösen Therapie bei autistischen Störungen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter“ und „Pädagogische Unterstützung und Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit hochfunktionalen autistischen Störungen in der Schule“ teil.

Der erste Workshop stellte Studien zur medikamentösen Therapie vor und wies darauf hin, dass ein Teil dieser Studien an einem geringen Teilnehmerkreis (z.B. 10 Personen) entstanden und deshalb zur Heranziehung fragwürdig seien. Eine teilnehmende Ärztin meinte, dass Studien an Kindern kaum vorhanden seien und empfahl aus ihrer persönlichen Sicht, sich vor einer beabsichtigten Medikamentierung sehr auf das individuelle Kind einzulassen und nicht z.B. bereits bei „stereotypem Verhalten“ Medikamente zu geben. Zu den gewonnenen Erfahrungen der Rücklaufe aus dem Elternhaus, aus den Schulen und klinischer Begleitung appellierte der Vertreter der ESH, ganz dringend auch bei erwachsenen Autisten nachzufragen, was Medikamentengabe in der Kindheit bei ihnen angerichtet bzw. zerstört hat.

Die anwesenden Ärzte fragten nach Richtwerten und hielten aus ihrer Praxis fest, dass generelle Empfehlungen nicht immer übertragbar wären insbesondere auf junge Patienten. Es kam auch die kritische Frage zur Sprache, wie Studien zu bewerten sind, die durch die Medizinindustrie gesponsert wurden. Dazu wurde geäußert, dass Studien heute angemeldet werden müssen, damit sie bei für die Unternehmen ungünstigen Verläufen nicht unveröffentlicht bleiben.

Aus dem Kreis der Teilnehmer wurde empfohlen, eine Informations- und Erfahrungsbörse zum Austausch von Daten zu begründen. Der Vertreter der ESH erinnerte daran, dass Autisten ihre Erfahrungen in diese Börse einbringen können müssen, weil das innere Erleben und die Auswirkungen von Therapien jedweder Art, etc. von „Fachpersonen“ kaum gewusst werden.

Am Nachmittag präsentierte der zweite Worksshop ein sonderpädagogisches Konzept im Rahmen der Schulform „Schule für Kranke“. Es wurde von den Teilnehmern als wohltuend empfunden, wie einfühlsam von beiden Lehrerinnen auf das autistische Kind eingegangen würde, in dem mit ihm gemeinsam auf Augenhöhe ermittelt würde, wie es Schule für sich selbst organisieren lernt. Bemerkenswert positiv wirkte bei der Fähigkeit, sogenannte Schwächen der Kinder gegen Stärken aufzuwiegen und mit ihnen auf dieser Basis zur Freude am Lernen zurück zu kehren. Allerdings wurde die Ansicht vertreten, wenn ein autistisches Kind eine Auszeit anfrage, über diese Grenze hinaus mit ihm zu versuchen, es am Unterricht zu halten, um Ausdauer zu trainieren. Dieser Konzeption über die Grenzsetzung des Kindes hinweg widersprach der Vertreter der ESH vehement.

Es wurde kurz die Meinung diskutiert, dass Kindern in die Hände gegeben werden könnte, den Pädagogen zu instrumentalisieren, was aber von der Mehrheit der Anwesenden nicht geteilt wurde.

Die von den Vortragenden angesprochenen Arten von Beschulung wurden von der ESH dahingehend ergänzt, dass Onlinebeschulung eine weitere Möglichkeit darstellt, einem Schüler ein flexibles System anzubieten, um Beschulung gesundheitlich vertretbar zu erleben. Die Erfahrungen der Dozentinnen nach eingehenden Informationen von Eltern und Lehrkörper waren überwiegend positiv, so dass ein Denkwandel hinsichtlich des Einlassens auf einen andersartigen Schüler zu bewirken war.

Für Jugendliche, die auf den Integrationshelfer verzichten wollen, seien noch dortigem Stand derzeit keine Alternativen in Sicht.

Von der ESH wurde die Problematik von Interessenkonflikten von Förderschullehrern, die gleichzeitig Autismusberater sind, hinsichtlich der Befürwortung von Beschulung von Autisten an Regelschulen angesprochen und ebenso nachgefragt, ob es für vermeintlich unbeschulbare Autisten eine Alternative gibt zur Auswanderung der Familien mit autistischen Kindern in Staaten ohne Schulpflicht. Eine Alternative wurde derzeit nicht gesehen.

Die Literaturempfehlungen präferierten Informations- und Arbeitsmaterialien von Elternverbänden und -vereinen, ABA, TEACCH mit Schwerpunkt Asperger Autismus. Auf Wunsch können sie Lesewilligen zur Verfügung gestellt werden. In den Internetempfehlungen der Kongressverantwortlichen wurde die Enthinderungsselbsthilfe von Autisten für Autisten – ESH mit ihrem Angebot nicht angegeben.

Nach Meinung eines Teilnehmers präsentierte sich die ESH als „Paradiesvogel“ in Thematik und Veranstaltungsszene, nach Meinung von autistischen Teilnehmern des Kongresses gehörte sie unbedingt dort hin.

Umfrage zum Stand der Einführung elektronischer Versorgungsamtsakten

Eigentlich könnte man davon ausgehen staatliche Stellen würden verantwortlich mit extrem sensiblen Daten wie Versorgungsamtsakten umgehen. Leider sieht die Realität derzeit so aus, daß staatliche Stellen völlig überfordert mit der Datensicherheit in elektronischen Systemen sind. Dieses Problem ist die letzten Jahre auch nicht geschrumpft, sondern eher gewachsen. Einerseits weil Hacker ihren Vorsprung immer weiter ausbauen, andererseits aber auch, weil staatliche Stellen unverdrossen weiter massenweise Daten in EDV-Systeme schaufeln, die eine Verbindung zum Internet besitzen.

Um den aktuellen Stand abschätzen zu können hat die ESH alle Datenschutzbeauftragten der deutschen Bundesländer zum Stand in Sachen elektronischer Versogungsamtsakte befragt.

Die elektronische Krankenkassenkarte geistert seit Jahren relativ prominent durch die Schlagzeilen. Hier ist relativ bekannt welch gigantisches Risiko die geplante Praxis einer (wenn auch verschlüsselten) Speicherung von Millionen kompletter Patientenakten auf einem zentralen nationalen Server mit sich bringt. IT-Sicherheitsexperten lassen sich jedoch aktuell völlig offen mit Aussagen wie dieser zitieren: „Den perfekten Schutz gibt es aber auch damit nicht. Den findet man derzeit nirgendwo. Firmen, die das behaupten, sind nicht vertrauenswürdig.“ und ordnen so die Leugnung der Gefahren durch öffentliche Stellen aus Staatsräson realistisch als haltlose Beschwichtigungen ein. Was dies angeht ist informierten Autisten klar, daß hier jederzeit vorhandene Diagnosen und Befundberichte von praktisch jedermann mit den entsprechenden Fähigkeiten ausgelesen werden können. Das passiert seltener gezielt bezüglich bestimmter Personen, sondern öfter in Form der Veröffentlichung ganzer Datenbanken, sei es durch unglaublich verantwortungsloses Handeln in den Behörden (vor einigen Jahren wurde z.B. u.a. ein Satz der britischen Kindergelddaten auf CD verloren) oder durch Angriffe auf nie völlig sichere EDV-Infrastruktur.

Weniger bekannt ist, daß es bereits heute in Deutschland digitalisierte Versorgungsamtsakten gibt. Unsere Umfrage sollte auch uns selbst über den Grad der aktuellen Umsetzung und weiterer Pläne ein Bild verschaffen. Die ESH-interne Deadline zur ersten Auswertung war der 15.2.2012. Auf die Anfrage an den Bundesdatenschutzbeauftragten hin, erklärte dieser sich für mich zuständig und verwies an die Datenschutzbeauftragten der Länder, die dann umgehend angefragt wurden.

Von 16 angeschriebenen Landesdatenschutzbeauftragten antworteten 11 bis zum 15.2.2012. Erstaunlicherweise schien das Thema bei praktisch keinem Landesdatenschutzbeauftragten ohne weiteres zu beantworten gewesen zu sein. Eine Gruppe fragte selbst bei den zuständigen Stellen nach um dann Auskunft geben zu können, eine andere Gruppe interessierte sich offenbar selbst überhaupt nicht für dieses Thema und verwies an andere Stellen weiter, was natürlich bedeutet, daß eventuell erfolgende Antworten diesen Landesdatenschutzbeauftragten weiter unbekannt bleiben. Eine weitere Erkenntnis aus der Umfrage ist die, daß zur Zeit die Einführung noch in Planungsphasen befindlich ist, also auch die Interessenvertreung der Behinderten theoretisch hier noch Einfluß nehmen könnte. Die ausdrückliche Auskunft des Hamburger Landesdatenschutzbeauftragten, daß die Digitalisierung von Altbeständen erwogen wird zeigt zudem, daß niemand, der eine Akte bei einem Versorgungsamt hat künftig sicher sein kann, daß diese nicht aufgrund irgendwelcher Umstände frei zugänglich im Internet landet wie dies teils z.B. beim Träger „Die Brücke“ in Deutschland bereits passiert ist. Was einmal veröffentlicht wurde, ist im Internet praktisch nie wieder „einzufangen“. Ebenso scheint es derzeit flächendeckend üblich zu sein die von den Versorgungsämtern verfassten Dokumente in der EDV gespeichert zu halten. Diese EDV-Anlangen sind nach unserem Kenntnisstand sämlich ans Internet angeschlossen und können somit auch gehackt werden (wenn der Sachbearbeiter im Brief eine amtliche Emailadresse angibt, kann man sich praktisch sicher sein, daß das der Fall ist). Auch wenn hier ein wichtiger Teil der Unterlagen fehlt, so sind doch weitreichende Rückschlüsse alleine von diesen Daten ausgehend möglich, alleine schon da im positiven Bescheid üblicherweise die entsprechenden Diagnosen genannt werden.

Fazit: Wer noch immer glaubte eine Diagnose sei im Zeitalter geplanter elektronischer Krankenkassenkarten aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht sicher, der wird sich vielleicht auch nicht an Datenrisiken nach Beantragung von Nachteilsausgleichen im Rahmen des Schwerbehindertenstatus stören. Andere Autisten sollten sich wegen dieser Risiken umso mehr fragen, inwieweit sie sich den Diskriminierungsrisiken, die aus diesem Umständen erwachsen aussetzen wollen.

Die genauen Ergebnisse:

Edit: Hier gibt es einen lesenswerten Zeit-Artikel zur mangelnden Unabhängigkeit von deutschen Datenschutzbeauftragten.

Von Autismus bis Völkermord und/oder Welterbe – Mahnappell zum neuen Jahr

Bis heute ist die Interessenvertretung der Autisten eklatant unterentwickelt angesichts der Schärfe der bis heute nahezu unvermindert vorzufindenden Diskriminierungen gegenüber Autisten. Woran liegt das? Der Versuch einer Einordnung.

Es ist ein Phänomen. Wir stehen kurz vor einem neuen Völkermord. Aber die betreffende Minderheit interessiert das nicht. Obwohl diese Gefahr durchaus von Vielen erkannt wird, tut kaum jemand etwas dagegen. Ja nicht nur das, Aktivisten die sich über diese Situation vollkommen bewußt sind, ziehen sich immer wieder wegen kaum nachvollziehbarer Kleinigkeiten beleidigt ins Privatleben zurück. Was ist da los? Wie kann das sein? Es handelt sich doch eigentlich um intelligente und zu großen Teilen vernünftige Menschen?

Neulich konfrontierte mich ein gestandener Autist mit seiner Erkenntnis: Autisten sind die Juden der BRD. Hoppala, sowas darf man doch nicht denken, geschweige denn aussprechen!? Schließlich disqualifiziert man sich mit jedem Nazivergleich von selbst. Außerdem gibt es genug Unterschiede zwischen beiden Situationen. Zumindest war das mein erster Impuls. Aber kann das für Völkermordthemen gelten? Wie soll man die Shoa als Mahnung verstehen, wenn man die damit in Zusammenhang stehenden geschichtlichen Erfahrungen aufgrund eines Tabus nicht laut mit heutigen Vorkommnissen in Verbindung bringen darf? Natürlich verbietet es sich leichtfertig Bezüge zum Nazistaat herzustellen, aber die Gründer der BRD selbst waren fest davon durchdrungen Lehren aus dem Erlebten zu ziehen und das setzt auch voraus, daß man Vergleiche anstellen darf. Besonders dann wenn sich wieder großes Unheil abzeichnet.

Eugenik gegenüber Autisten praktizierten bereits die Nazis. Nicht gegen Autisten als klar umrissene Personengruppe. Auch nicht gegen eine Personengruppe die vermeintlich die Welt parasitär kontrollieren würde. Und meines Wissens auch nicht als Kriegshandlung, denn die Shoa war aus Sicht der Nazis ein Teil des Krieges, der vom Weltjudentum gesteuert sei. Außerdem war der Nazistaat eine Diktatur.

Die Shoa gilt heute Vielen als der Völkermord schlechthin. Ein Völkermord an Autisten? Die Autisten sind doch gar kein Volk. Nicht? Der klassische Begriff des Volkes geht deutlich weiter als das heute meist vorzufindendes Verständnis und das spiegelt sich auch im allgemeinen Verständnis des Völkermords wider. Schon die europäischen Juden waren ja kein Volk im nationalen Sinn und sie waren auch keine Anhänger einer bestimmten Religion. Diese „Juden“ stellten eine durch den Nazistaat nach eigenen weltanschauliche Kriterien gesetzlich definierte Personengruppe dar. Eine Definition mit dem Ziel der Ausgrenzung.

Das was schon heute passiert, z.B. die gezielte massenhafte vorgeburtliche Ermordung von Menschen mit Trisomie 21 geschieht ebenso auf Grundlage gesetzlicher Festlegung dessen, was lebenswert und was lebensunwert ist. Wie auch im Nazistaat sind Teile der Ärzteschaft tief involviert. Und wenn man genau hinschaut, muß man feststellen, daß es eine kaum bestreitbare ideologische Kontinuität dieser eugenischen Massensäuberungen hierzulande gibt. Natürlich distanziert man sich mit großem Gebrüll davon, wie zur Nazizeit ausgewachsene vermeintlich lebensunwerte Menschen zu ermorden. Mit heutigen Methoden läßt sich das strategische Ziel viel eleganter bewerkstelligen.

Völkermord ist kein Privileg von Diktaturen. Wäre es weniger verwerflich gewesen, wenn die Shoa als Resultat einer freien und fairen Volksabstimmung erfolgt wäre? Natürlich nicht – Völkermord ist Völkermord. Ein Straftatbestand des Völkerrechts. Es macht auch keinen Sinn zu versuchen einen heute mitten unter uns stattfindenden Völkermord wegzuerklären. Die Völkermordkonvention, die auch in Deutschland geltendes Recht ist, enthält als Straftatbestand unter anderem ausdrücklich „die Anordnung von Maßnahmen zur Geburtenverhinderung“. Zweifellos hat der deutsche Gesetzgeber Maßnahmen angeordnet, die diesen Effekt haben und auch haben sollen. Er fördert auch – wie damals – einseitige Forschung, die als Legitimationsgrundlage dient oder sich direkt damit beschäftigt technische Voraussetzungen für den Völkermord zu erlangen. Er schafft u.a. darüber hinaus finanziellen Druck zur Durchsetzung des Völkermords, der von der Justiz auch umgesetzt wird, siehe das BGH-Urteil vom 18.6.2002 Az. VIZR136/01 (Abhandlung dazu: http://www.ratgeber-arzthaftung.de/pdf/Abtreibung.pdf ) in welchem ein Arzt, der nicht seiner „Pflicht“ nachkam die Schwangere ausreichend über die „Mängel“ des ungeborenen Kindes zu informieren und diese deswegen das Kind nicht töten ließ, zu Unterhalt und Schmerzensgeld in fünfstelliger Höhe verurteilt wurde. Diese Rechtsnormen gelten selbstverständlich auch für Autisten und wir kennen auch hinlänglich die verbreiteten Ursachenverdrehungen durch die eine gesellschaftliche Diskriminierung zum Defizit einer Personengruppe umdeklariert wird. Alles ist bereit. Nur der Startschuß fehlt noch.

Die Lage ist ernst, praktisch schon morgen kann es praktisch möglich werden Autisten vorgeburtlich mit einer für den deutschen Gesetzgeber ausreichenden Wahrscheinlichkeit zu identifizieren. (Siehe beispielhaft ergänzend: http://asansouthwestohio.blogspot.com/2009/10/why-autism-speaks-does-not… (englisch) und http://autisten.enthinderung.de/autism_speaks ) Absolute Sicherheit hat er noch nie verlangt, weswegen als Kollateralschaden des Völkermords stets auch irrtümlich diagnostizierte Menschen vorgeburtlich getötet werden, die eigentlich gar nicht zur staatlich definierten Gruppe zählen. Ist es eine Schockstarre, wenn trotzdem kaum ein Autist beginnt in einem Maße aktiv zu werden, das erforderlich wäre? Ist es Fatalismus? Was es auch ist, in der staatlich definierten Gruppe der „Juden“ sah es zur Zeit des Nazistaats erstaunlich – oder besser erschreckend – ähnlich aus. Und aufgrund der heutigen Methode der Eugenik gibt es auch keinen Auswanderungsdruck, denn wie sollten Ungeborene auch auswandern?

Die christlichen Kirchen, insbesondere die evangelische, sind indes so damit beschäftigt sich von der eigenen Rolle im Nazistaat zu distanzieren und Personen wie Dietrich Bonhoeffer zu huldigen, daß sie kaum mehr in der Sache fertigbringen als gelegentlich halbherzige, fast schon widerwillig pflichtgemäße Protestbekundungen kundzutun. Ohnehin sind gerade die Großkirchen durch milliardenschwere Verflechtungen mit dem Staat kaum übersehbar korrumpiert. Andere Bevölkerungskreise ließen sich zumindest bisher kaum mobilisieren oder sind selbst von der – gesellschaftlich heute auch noch zutiefst verwurzelten – Eugenik überzeugt und verspotten die Zielgruppen völlig unverblümt. Immerhin: Die römisch-katholische Kirche verurteilt Abtreibungen allgemein bis heute in glaubwürdiger Weise. Dadurch wird leider ein laufender Völkermord auch nicht aufgehalten.

Nun kann man sich aus Sicht der christlichen Theologie sicherlich fragen, ob man sich in solche Dinge einmischen sollte. Tatsache ist jedoch zumindest, daß gerade die evangelische Kirche, die damals teilweise im vorauseilenden Gehorsam laut Staatsgesetz als Juden einzustufende christliche Pastoren von sich aus aus dem Amt entfernte, sich durch das überdeutliche Bekenntnis zu Personen wie Bonhoeffer genau dazu bekennt es im Falle des Falles als geboten zu erachten sich auch unter Lebensgefahr einzumischen. Dies ist im übrigen ein Geist, welchen das zugunsten vor allem der EU-Ebene immer weiter ausgehöhlte Grundgesetz der BRD atmete und der bis heute der Form halber noch gepflegt wird, indem die Staatsführung regelmäßig offiziell einem Mordanschlag auf einen deutschen Regierungschef gedenkt und zwar gerade auch, weil dieser einen Völkermord verübte. Verkehrte Welt? Natürlich und das haben selbst Kabarettisten schon lange erkannt, wenn zumeist auch in anderen Zusammenhängen (z.B. ökologischen): Will uns die deutsche Staatsführung durch diese Festlichkeiten daran erinnern, daß nach ihren eigenen Maßstäben ethisch integere Personen Anschläge auf sie verüben sollten?

Fakt ist: Wir können mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht damit rechnen, daß jemand den Völkermord an etwa 70 Millionen Autisten aufhalten wird. Aber wir können und müssen aus eigenem Interesse unser Möglichstes versuchen. Wer will z.B. in einer Welt altern, in der es fast keine jungen Autisten mehr gibt?

Was ist in und mit einer Gesellschaft geschehen, die nicht mehr erkennen kann, dass ihre Handlungsweise zu einem großen Artensterben in Menschen-, Tier- und Pflanzenwelt führt? Ist die daraus resultierende Armut im menschlichen Sein und in der Sinngebung unseres Lebens wirklich gewollt? Ist denjenigen bewusst, die Forschung betreiben um einen Teil des Lebens ungeschehen zu machen, dass sie die Schöpfung und damit sich selbst berauben um Regungen, Respekt und Toleranz, Begabung, Herzenswärme und Güte, Kunst und Wissenschaft? Wahrscheinlich hat später mal wieder niemand was gewußt?

Laßt uns die Unesco überzeugen Autismus in die Welterbeliste aufzunehmen. Laßt uns zusammenarbeiten, um einen Gegenpol in der Öffentlichkeit zu bilden. Engagiert euch in ernstzunehmenden Autistengruppen. Werdet z.B. Mitglied im Auties e.V. (siehe unter Kontaktformulare) und zeigt Flagge für eine selbstbewußte autistische Kultur. Beteiligt euch in den Foren, macht in der ESH mit, helft anderen, teilt uns eure Ideen mit. Gründet eine neue Autistengruppe, wenn ihr so effektiver arbeiten könnt – wir kooperieren mit euch. Vor einiger Zeit schlug mal jemand vor, man könne vielleicht mal eine Autistenpartei gründen. Damals antwortete ich, daß es dafür wohl keine Notwendigkeit gibt. Vielleicht habe ich mich geirrt? Welche relevante Partei vertritt in diesem Land denn eine klare Position gegen den stattfindenden sich mehr und mehr ausweitenden Völkermord? Mir ist keine bekannt.

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Unser Stand beim DGPPN-Kongress 2011

Die Autisten der Enthinderungsselbsthilfe von Autisten für Autisten, Angehörige und Interessierte – ESH waren mit einem Messestand auf der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde vom 23. – 26.11.2011 vertreten. Ziel dieser Begegnung war es, dem anwesenden Personenkreis ausführliche Beratung durch Autisten anzubieten und dadurch künftig aus Unverständnis entstandenes und bestehendes Leiden von Autisten mindern bzw. ausmerzen zu helfen aufklärend zu wirken. Die ESH erfährt durch Mitglieder und Ratsuchende immer wieder, dass sowohl in der Diagnostizierung als auch in der Anwendung von Therapiemodellen ein umfangreiches Defizit hinsichtlich barrierefreier Kommunikation als auch im Verständnis der Zusammenhänge autistischen Seins besteht.

Am Stand der ESH bestand für die gesamte Dauer des Symposiums und der Medizinindustrieausstellung die Möglichkeit der barrierefreien fernschriftlichen Kommunikation per Internet mit Autisten. So konnten Autisten unmittelbar Fragen gestellt werden, ohne dass diese körperlich die belastende Umgebung der Messe aufsuchen mussten.

Auffallend war das offene Interesse ausländischer Besucher aus Österreich, Niederlande, Lettland und insbesondere der Schweiz. Das lässt vermuten, dass in den genannten Ländern das Selbstverständnis, mit Autisten fernschriftlich zu verkehren und sich Informationen bei Experten in eigener Sache einzuholen, ausgeprägter ist als in Deutschland.
Bei den deutschen Interessierten war ein Altersgefälle erkennbar: Junge Berufstätige, die in ärztlicher oder pflegerischer Hinsicht mit Autisten vertraut sind, zeigten sich aufgeschlossener gegenüber den Beratungen durch Autisten selbst als ältere Kollegen. Es fiel ihnen auch leichter, über Defizite in den Kenntnissen über Autismus zu sprechen.

Abschließend sei noch bemerkt, daß all dies von den Messeplanern genau gegenüber einer Art geistig-moralischer Bankrotterklärung aus dem Hause Merck & Co Inc./Lundbeck platziert wurde (Foto). Es sei dem Betrachter überlassen, ob er die wohl beabsichtigte Einordnung der moderat abstrahierten künstlerischen Darstellung einer Person als korrekturbedürftig und quasi „entartet“ auch schon angesichts der deutschen Geschichte als ungeheuerlich empfindet oder eher das höchst fragwürdige Spiel mit dem Begriff des Ichs auf dem sündhaft teuren mit ca. 10 Personen als Dauerbesetzung versehenden Reklamestand eines Neuroleptikums mit Zulassungsproblemen.


http://de.wikipedia.org/wiki/Sycrest

Zur diskutierten Reform des Betreuungsrechtes 2011

Derzeit wird eine Reform des deutschen Betreuungsrechtes durch die Bundespolitik diskutiert. Die ESH nimmt hiermit öffentlich zur Thematik Stellung.

Bezüglich der aufgeworfenen Frage ehrenamtlicher oder beruflicher rechtlicher Betreuung haben wir bisher den Eindruck, dass es für Autisten keine entscheidende Rolle spielt, zu welcher der genannten Gruppen ein rechtlicher Betreuer zählt. Vielmehr kommt es auf die Einstellung der einzelnen Person an und hier gibt es noch immer große Unterschiede von Person zu Person. Bei beruflichen und ehrenamtlichen rechtlichen Betreuern sehen wir jedoch eine verbreitete unheilvolle Tendenz zu gravierender und gefährlicher Fehlinformiertheit und zumeist auch mangelnder Empathie für Autisten.

Autisten sind anders als die meisten anderen durch die Mehrheitsgesellschaft behinderten Bevölkerungsgruppen in ihrer Wesensart und ihrem Welterleben sehr grundlegend anders veranlagt. Diese andere Veranlagung ist zunächst an sich keine Einschränkung. Gesellschaftliche Diskriminierung, die sich an dieser Minderheitenveranlagung entspinnt, erzeugt jedoch teils erhebliche Probleme für Autisten.

Diese spezielle Diskriminierungsform ist unter dem Begriff der „Behinderung“ bekannt, wird jedoch noch von großen Teilen der Bevölkerung nicht korrekt verstanden. Hier fehlt es bisher offensichtlich an einer qualifizierten Breitenbildung, die auch durch das Bildungssystem bisher nicht in für uns erkennbarer Weise in halbwegs geeigneter Art vermittelt wird. Geld wird eher durch Bürokratiemonstren wie „Aktion Mensch“ oder sonstige Großverbände die zugleich erheblich in die alten desintegrativen Strukturen verstrickt sind, für wenig ausgefeilte Kampagnen verschleudert. Dieser allgemeine Hintergrund betrifft berufliche und ehrenamtliche Betreuer.

Aus unserer Erfahrung muss festgestellt werden, dass durchschnittliche Nichtautisten Autisten selbst beim besten Willen ebensowenig grundlegend verstehen wie es andersherum der Fall ist. Viele Unterschiede erzeugen teils erhebliche Missverständnisse, die oft unterbewusst wirken, etwa was verschiedene Körpersprache angeht. Daher ist uns zunächst wichtig, dass Autisten möglichst selbst Assistenz von anderen Autisten erhalten, was auch real umsetzbar ist. Hier herrschen oft Vorbehalte der Kostenträger, die meinen, „professionelle Kräfte“ würden immer höherwertige Leistungen erbringen.

Es ist leider immer wieder zu beobachten, dass Assistenzpersonen oder auch rechtliche Betreuer sich berufen fühlen, Autisten in grundrechtsverletzender Weise ihre Stellung ausnutzend zu bevormunden, teils sogar in gefährlicher und schädigender Weise. Immer wieder weisen solche Personen gravierende Fehlannahmen hinsichtlich Autismus auf. Mitunter wirkt dies aus autistischer Sicht so, als sei man auf die Unterstützung von Laien auf diesem Gebiet angewiesen, die auch oft noch meinen, unheimlich gut über alles mögliche Bescheid zu wissen und darüber vergessen, dass sie nur dazu da sein sollen, den Weg, den der Autist gehen will, umsetzen zu helfen, so wie dieser ihn für richtig hält. Eventuell hängt es mit der noch immer unglaublichen Verbreitung mindestens unterschwelligen eugenischen Gedankenguts in Deutschland zusammen, dass viele der betreffenden Personen nicht einmal auf die Idee kommen, ihr Handeln könnte irgendwie unangemessen sein. Dies führt bei Autisten immer wieder zu Resignation und Depression.

Betreuungen werden auch heute noch oft leichtfertig errichtet. Noch immer suggerieren Anlaufstellen, es sei nur Assistenz zu erhalten, wenn man einer rechtlichen Betreuung zustimme. Diese ist im Fall von Autisten jedoch in vielen Fällen nicht nötig, wenn Assistenz zur Verfügung gestellt wird, die im Sinne des Arbeitgebermodells frei und jederzeit einfach widerruflich gestaltet werden kann und nicht etwa das Wohl des Autisten potentiell erheblich gefährdet. Es ist vielen Personen, die in relevanten Positionen beschäftigt sind, offenbar in erschreckender Weise nicht bewusst, dass eine rechtliche Betreuung nur dann eingerichtet werden sollte, wenn jemand nicht mehr selbst entscheiden kann.

Viele Probleme von Autisten im Alltag machen sich an mangelnder Umsetzung Universellen Designs fest. Hier ist im Grunde auch Assistenz nicht die wünschenswerte Lösung, sondern die Herstellung von Barrierefreiheit. Beispielsweise wird noch immer oft von Behörden fernschriftliche Kommunikation gegenüber Autisten verweigert. Hier lautet dann die Antwort von „Hilfeträgern“ oft, dass dann eben jemand für einen Autisten zu den jeweiligen Stellen gehen müsse. Dies verursacht horrende Kosten, monatlich sind für solche im Grunde unnütze Assistenz für den Staat bei einem Stundensatz von 50€ schnell 1000€ bei trägerorganisierten Leistungen fällig, obwohl diese Leistungen auch oft noch durch unqualifizierte immer wechselnde Billigkräfte abgedeckt werden. Dieser Aufwand wird jedoch nur betrieben, weil die Gesellschaft bisher nicht bereit ist, ihre Diskriminierungen von der Wurzel an einzustellen, also in diesem Beispielfall im Sinne des Universellen Designs für jeden Bürger das Recht einzuführen ohne weitere Rechtfertigung fernschriftlich zu kommunizieren. Das heutige System der Gewährung von Barrierefreiheit nur beim Nachweis der Erforderlichkeit führt im Alltag oft zu neuen Diskriminierungen, gerade auch gegenüber Autisten, da zu Autisten viele Fehlannahmen mit erheblichen Diskriminierungspotenzial kursieren. Aus diesem Grund ist das Universelle Design der aktuelle Maßstab der Diskriminierungsbeseitigung behinderter Bevölkerungsgruppen.

Sicherlich ist auch der Aufwand, die verschiedenen Antragsverfahren durchzusetzen oft aufgrund von Ablehnungen und dadurch nötigen Widerspruchsverfahren und Klagen zusätzlich arbeitsintensiv, was in grösserem Ausmass dazu beiträgt, dass Assistenz (nicht rechtliche Betreuung, denn widerrufbare Entscheidungsvollmachten können stets auch außergerichtlich erteilt werden) erst nötig wird. Diese auch psychische Belastung ist hinlänglich bekannt und durch Studien belegt. Mitunter artet es fast schon in eine Vollzeitbeschäftigung aus, Nachteilsausgleiche einzufordern und den Grad der Diskriminierung zu verringern (und sich damit oft neuen Diskriminierungen auszusetzen, weil Akteninhalte ein Eigenleben entwickeln).

Aus unserer Sicht ist jedoch nicht damit zu rechnen, dass sich hieran etwas nachhaltig ändert, denn das Problem liegt viel tiefer als in einzelnen Regelungen. Verwaltungseinheiten wetteifern darum „effizent“ zu wirtschaften, Vorgesetzte üben Druck auf Sachbearbeiter aus teils auch bewusst gegen die Rechtslage verstoßend möglichst wenig Mittel herauszugeben. Dies wird letztlich vom Gesetzgeber toleriert, weil die Verantwortlichen nach außen stets darauf verweisen können, dass auf dem Papier bestimmte Ansprüche bestehen, die jedoch dann gerade von den Schwächsten nicht eigenverantwortlich in Anspruch genommen werden, weil sie lieber ausgegrenzt bleiben als solchen Psychoterror von immer neuen Hoffnungen und Enttäuschungen über sich ergehen zu lassen. Hieraus ergibt sich das bekannte System der Ausgabenbegrenzung durch Zermürbung, welches den Staat mittlerweile bei seinen Bürgern erheblich in Verruf gebracht hat. Hier ist ein grundlegendes Umdenken erforderlich wieder mehr Wert auf Gerechtigkeit und gewissenhafte Umsetzung von gesetzlichen Vorgaben zu legen. Die interne Führungskultur in der Verwaltung müsste hierfür geändert werden.

Für uns ist bisher auch nicht erkennbar, dass irgendjemand auf politischer Entscheidungsebene die Interessenvertretung der Autisten in irgendwelche diesbezüglichen Änderungsplanungen einzubeziehen bereit ist. Noch immer wird völlig entgegen des Geistes der CRPD-Konvention von Seiten der Politik fast ausschließlich mit Elternverbänden verhandelt, deren Positionen denen der Autisten teils gar in grundlegenden Punkten widersprechen. Diese Differenzen müssen auch psychologisch erklärt werden; viele Eltern möchten gerne den Grund für Probleme nicht auch bei sich sehen. Oft besteht bei dort aktiven Eltern selbst trotz jahrelanger Beschäftigung mit der Thematik noch krasses Unwissen über Autismus. Zunehmend nimmt auch Personal durch Vereinsmitgliedschaften Einfluss auf Elternverbände und wirkt in Richtung eigener Berufsinteressen.

Zunächst vielleicht oft ohne Widerstand eingeführte rechtliche Betreuungen sind in der Praxis leider Beginn unnötiger Entmündigungen und Zurücksetzungen bis hin zur an sich unnötigen Heimeinweisung. Es ist aus unserer Erfahrung erschreckend, in welchem Maße Autisten noch immer in Heime gezwungen werden, obwohl sie mit oder gar ohne Assistenz auch selbstständig hätten leben können – jedoch nicht so wie die nichtautistischen Angehörigen es sich aufgrund anderer Werte oft vorstellen.

Die Handlungsfähigkeit hängt zudem in hohem Maße mit den Lebensbedingungen zusammen. Wenn ein Autist in einem Elternhaus aufwächst, in welchem erhebliche Störfaktoren vorliegen – für Nichtautisten teils banale und unproblematische Selbstverständlichkeiten – können diese auch leicht über das auf Dauer erträgliche Maß hinausgehen. In diesen Situationen zeigen Autisten oft allgemeinmenschliche Verhaltensweisen, wie sie bei erheblicher psychischer Überforderung/Misshandlung zu beobachten sind. Diese Verhaltensweisen werden leider noch immer oft fälschlich als „autistische Verhaltensweisen“ verstanden und in dieser Folge nicht erkannt, dass ein Mensch in großer Not ist und im Fall von Autisten praktisch immer vermeidbar.

Noch immer wird kaum von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, erwachsene Autisten um Rat zu fragen. Die Erfahrung zeigt, dass durch solche Ratanfragen immer wieder ganz erhebliche Störfaktoren beseitigt werden können, worauf der betreffende Autist plötzlich mehr Energien hat um zu lernen oder um Belastungen durch nicht barrierefreie Kulturlandschaft besser abzupuffern (nicht sie besser zu ertragen) und sich so Veränderungen zeigen, die teils nicht für möglich gehalten wurden.

In diesem Sinne muss zwingend und verpflichtend für rechtliche Betreuer von Autisten zum obersten Prinzip werden, die zur Verfügung gestellten Lebensbedingungen für den Autisten möglichst barrierefrei zu gestalten (das meint nicht die Durchführung fragwürdiger Ansätze wie TEACCH!) und dabei Rat bei „freilebenden“ Autisten zu suchen. Hierbei ist eine Kernkompetenz eines solchen Betreuers unbedingt die Fähigkeit, Situationen möglichst ohne subjektive Deutungen und Relevanzgewichtung zu beschreiben.

Obwohl das derzeitige deutsche Betreuungsrecht oft als besonders „modernes“ Beispiel (was auch immer das bedeuten soll) herangezogen wird, so ist leider unsere Erfahrung, dass in den Köpfen oft noch das alte Recht umgesetzt wird und das auch wieder, weil es keine auch nur annähernd geeignete Breiteninformation zum aktuellen Stand des Themas „Behinderung“ zu geben scheint. In der Praxis wird eben doch oft über die Köpfe von Autisten entschieden und sei es nur, weil die Betreuer wie auch die entscheidenden Richter selbst nicht bereit sind, barrierefrei fernschriftlich zu kommunizieren, was offenbar in erschreckendem Ausmaß noch immer stattfindet. Dies läuft im Grunde darauf hinaus, dass der Betreute praktisch gar nicht mit dem eigenen rechtlichen Betreuer kommunizieren kann oder dies nur unter erheblichem schmerzvollen Krafteinsatz bei ohnehin schon vorhandener chronischer Überlastung. Wenn dann dem rechtlich betreuten Autisten auch wie ebenfalls noch erschreckend oft kein Internet-PC zur freien und sicher unüberwachten Benutzung zur Verfügung steht, kann er sich nicht einmal sinnvoll Hilfe organisieren. Auch barrierefreien fernschriftlichen Kontakt zu Anwälten in erforderlicher Intensität und Verlässlichkeit herzustellen (z.B. via eMail), erweist sich in der Praxis oft als fast unmöglich, abgesehen von dem Problem, dass auch Anwälte oft verbreitete Klischeevorstellungen zu Autisten besitzen. Leider sind ärztliche Gutachten, die in Betreuungssachen eine Rolle spielen können, speziell in Bezug auf Autisten oft von erschreckend geringer Qualität.

Wenn also im Fall der Bevölkerungsgruppe der Autisten durchaus von nicht wenigen involvierten Personen erst einmal davon ausgegangen zu werden scheint, dass Autisten ohnehin zu keiner freien Willensbestimmung fähig seien, so ist dies vor allem schon deswegen schädlich, weil aufgrund oft unzumutbarer Lebensumstände die betreffenden Autisten sich gar nicht auch nur halbwegs effektiv gegen ihre Entrechtung wehren können. Hier gilt dann leider oft „wo kein Kläger, da kein Richter“, weswegen wir fordern, bundesweit selbstbestimmten Organisationen von Behinderten Zugangsrechte ohne erforderliche vorhergehende Anmeldung zu allen betreffenden Behinderteneinrichtungen, Heimen und Krankenhäusern einzuräumen. Hierbei kann teilweise das Sächsische Modell der Besuchskommissionen gem. Landesgleichstellungsgesetz als Vorbild herangezogen werden. Jedoch sollte die Mitwirkung im Rahmen solcher Kontrollrechte wesentlich niederschwelliger und gesellschaftsoffener gefasst werden, statt eine Teilnahme an bürokratisch schwerfällige langjährige Ernennungen zu knüpfen. Es kann nicht sein, dass solche Kommissionen fast nur von Funktionären großer Verbände besetzt werden, die oft persönlich keine vergleichbaren eigenen Behinderungserfahrungen aufweisen. In diesem Sinne müsste es auch speziell der Interessenvertretung von Autisten aufgrund der Barrierefreiheit der kontrollierenden Autisten zugestanden werden eigene Kontrollbesuche bei freier Zeitgestaltung vorzunehmen.

Nahezu absurd wird es, wenn Autisten in ihrem vermeintlichen Interesse mit Gewalt davon abgehalten werden, aus Lebensumständen zu fliehen, die für sie eine kontinuierliche (Schmerz erregende) Zumutung darstellen und aus solchen völlig berechtigten Fluchtversuchen eine vermeintliche Unfähigkeit konstruiert wird, das eigene Wohl korrekt einzuschätzen. Im Vergleich zu manchen eigentlich auch änderbaren Situationen, in die Autisten gezwungen werden, ist ein Leben „unter der Brücke“ geradezu paradiesisch, was sich jedoch fast nie jemand im Umfeld eingestehen mag. Hier bedarf es empathischer Unterstützung durch andere Autisten im Einzelfall.

Da viele Autisten aufgrund verbreiteter Diskriminierungen arbeitslos sind, wäre auch das Potenzial vorhanden, unter der selbstbestimmten Leitung der Interessenvertretung der Autisten nach einer gewissen Vorbereitungsphase diesen eklatant nötigen Bedarf der Unterstützung von Autisten durch ihnen gemütsmäßig nahe andere Autisten auch faktisch mehr und mehr zu decken. Jedoch geschieht bisher nichts in dieser Art; Gelder stehen offenbar auch nicht zur Verfügung um eine entsprechende flächendeckende Infrastruktur zu errichten. Ebenso konnte die ESH bisher keine Mittel aktivieren, um zumindest erst einmal eine autistengeführte Einrichtung zu schaffen, die geeignete Autisten aus Heimen aufnimmt und von dort zu einem selbstständigen Leben zu entlassen. Diese Entlassungen finden oft nicht statt, da dem finanzielle Interessen der Betreiber entgegenstehen oder nicht die Kompetenz vorhanden ist, um geeignete Lebensbedingungen zu schaffen, unter denen Autisten zunächst erst einmal wieder Kräfte sammeln könnten für ein selbstständiges Leben.

Nicht hinnehmbar ist es, wenn Autisten, die aus irgendwelchen Gründen in allen Punkten unter rechtlicher Betreuung stehen, gemäß §13,2 oder 3 BWahlG und ähnlichen Vorschriften das Stimm- und Wahlrecht aberkannt wird. Solche Autisten haben teilweise überdurchschnittlich genaue politische Vorstellungen.

Die offenbar erwogene Übertragung von Kompetenzen von Betreuungsgerichten auf Betreuungsbehörden sehen wir sehr kritisch, hierdurch wäre damit zu rechnen, dass mehr ungute Entscheidungen getroffen würden. Nach unserer Erfahrung neigen Verwaltungsbehörden stärker zu ungerechten und diskriminierenden Entscheidungen als Gerichte. Dies geht nicht nur auf mangelnde Ausstattung zurück, sondern oft in Bezug auf Autisten auf größere Anfälligkeit für klischee- und fehlinformationsbedingte Fehlerwägungen als es bei Gerichten zu beobachten ist, die routinierter darin zu sein scheinen tatsächlich Gerechtigkeit zu üben.

Allgemein ist es nach unseren Erfahrungen so, dass Ämter Beratungspflichten in der Regel nur sehr mangelhaft und im „eigenen“ Kosteninteresse parteiisch nachkommen. Zu Servicestellen verzichten wir zunächst auf eine Einschätzung, da die Regierung selbst einräumt, dass die Beratungsleistung in diesem Rahmen häufig noch nicht zufriedenstellend ist.

Wie aus den oben erfolgten Darstellungen resultiert, werden in Bezug auf die Situation von Autisten, was das Betreuungsrecht angeht, vor allem praktische Defizite festgestellt, auf die der Gesetzgeber manchmal leider nur bedingten Einfluss hat. Es wurden jedoch auch Punkte genannt, in denen der Gesetzgeber Klarstellungen treffen könnte, etwa beim Recht auf fernschriftliche Kommunikation und der Bewertung des Fernhaltens von Autisten von einem eigenen Internetzugang als nahezu unersetzlichem Medium barrierefreier Kommunikation als strafbare Freiheitsberaubung. Es ist schwer in einen Bereich hinein genauer zu regeln, der sehr von subjektiven Eindrücken Beteiligter abhängig ist. Sicherlich könnte er jedoch einiges unternehmen, um die erwähnten – im ganzheitlichen Zusammenhang relevanten Punkte – in Zusammenarbeit mit der Interessenvertretung der Autisten im Rahmen seiner Möglichkeiten voranzutreiben.

Bei der Zurverfügungstellung von Mitteln für Assistenz im Sinne eines Arbeitgebermodells/Persönlichen Budgets wäre es wünschenswert, wenn hier eine weitere Vereinfachung durch den Gesetzgeber erfolgen würde. Hier wäre es weiter wünschenswert, die regional teils noch aktiven Landschaftsverbände (z.B. LWL) sauber zu zerschlagen, deren Tätigkeitsumfang besonders ungute Interessenkonflikte mit sich bringt. Aus unserer Sicht ist Vieles machbar ohne zusätzliche Kosten zu verursachen oder würde gar Kosten einsparen, z.B. weil teure und unvertretbare Heimaufenthalte entfallen würden, etc.

Ein Großteil der Kosten „wegen Autismus“ sind tatsächlich vermeidbare Diskriminierungskosten, die die Mehrheitsgesellschaft durch die Ausgrenzung von Autisten insbesondere aus gesellschaftlichen Organisationsvorgängen selbst verursacht.

Fazit:

– Auch in Bezug auf Autisten muss gelten: „Nichts über uns ohne uns (ohne autistendominierte Interessenvertretung)!“ Davon sind wir heute in Deutschland in der Realität noch extrem weit entfernt.

– Autistisches Wesen wird von den Fachleuten nach wie vor falsch bewertet.

– Die falschen Bewertungen in den angelegten Akten führen zu fortgeschriebener Diskriminierung.

– Autisten sehen sich durch Elternverbände nicht vertreten.

– Autisten brauchen Begleitung keine Umerziehung und Bevormundung.

– Der diesbezügliche Erziehungsgedanke zieht sich durch viele Rechtsnormen und führt bei Berührungen mit Ämtern, Ärzten, Schulen, Arbeitsvermittlungen etc. zu Überheblichkeit und Amtsanmaßung, er gehört abgeschafft.

– Erwachsene Autisten sollten über ein ausreichend ausgestattenes Persönliches Budget im Sinne eines Arbeitgebermodells die Individualität leben können, die für sie gesund ist. Leistungserbringung in der Form des Persönlichen Budgets darf nicht dazu führen, dass weniger Mittel gezahlt werden als vorher an Träger, zu denen dann in Eigenregie real keine hochwertige Assistenz zu organisieren ist.

– Heime können mit ihren vorgegebenen Lebensbedingungen Autisten krank machen.

– Das Absprechen von Selbstbestimmungsfähigkeit der Autisten, die sich anders äussern, muss beendet werden.

– Träger der örtlichen Sozialhilfe und sonstige Bewertungsstellen haben nicht selten Interessenkollissionen, da sie mitunter Betreiber von Einrichtungen sind, die belegt werden müssen, um sich zu tragen.

– Wenn in Deutschland über Autismus geredet wird und Entscheidungen über Autisten gefällt werden, wenn Leid vermieden werden soll, dann muss es verpflichtend werden, sich von erwachsenen Autisten als Anwalt autistischer Angelegenheiten beraten zu lassen.

– Die Enthinderungsselbsthilfe von Autisten für Autisten (und Angehörige) bietet diese Beratung an.

Rückblick auf unseren Proteststand auf dem 3. Autismustag in Potsdam

Unter dem Motto „Wider den Gedenktag – Für die Akzeptanz | 18.06. Autistic Pride Day“ nahm die ESH die Veranstaltung zum 3. Autismustag in Potsdam als Anlass um ihre Positionen zu vertreten und offensiv gegen die Veranstaltung, den Veranstalter und diverse dort präsente Aussteller zu protestieren.

Am 18.12.2007 bestimmte die UN über die Köpfe der Autisten hinweg den 2.4. jedes Jahres zum „Weltautismustag“. In der Erklärung zu dessen Einrichtung wurde nicht nur der ältere von Autisten geschaffene Autistic Pride Day ignoriert, vor allem wurden darin auch eindeutig Autismus pathologisierende Positionen vertreten. Damit verstieß die UN nicht nur gegen eigene Prinzipien z.B. aus der UN-CRPD-Konvention, sondern ergriff sinngemäß selbst „in großer Sorge“ Partei für eine sehr fragwürdige „Aufklärung“ über Autismus, die in weiten Teilen von nichtautistischem Unverständnis durchzogen ist (Link zu einer deutschen Fassung der entsprechenden UN-Resolution) und für viele Autisten bis heute schwere negative Auswirkungen im Alltag hat.

Dieser Vorgang ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich um tatsächliche Aufklärung über Autismus und erforderliche Maßnahmen der Barrierefreiheit, beziehungsweise Universellen Designs bemühen. Deswegen wird dieser Tag in Autistenkreisen auch als Antiautismustag bezeichnet. In den USA haben Autisten als Gegenveranstaltung zum als Machwerk von Autism Speaks wahrgenommenen UN-Gedenktag für den 1.4. den „Autism Acceptance Day“ ausgerufen.

Der Stand der ESH war um 9.00 Uhr aufgebaut und wurde regelrecht „gestürmt“. Wir hatten bereits um 11.30 Uhr die Befürchtung, dass die Flyer, die über den Umgang mit Autisten sowie deren Erfordernisse informieren sollten, nicht mehr lange reichen würden. Besucher waren vorwiegend Eltern, aber auch hilfesuchende erwachsene Autisten und Auszubildende aus dem Sozialbereich.

Wir verteilten Fragebögen an den anderen Ständen, erklärten deren inhaltlichen Hintergrund und baten, diese auszufüllen mit dem Angebot einer späteren Auswertung. Die vertretenden Therapiezentren nutzten diese Chance durchweg nicht und untermauerten den Eindruck es gehöre zu ihrem Geschäftsmodell Probleme möglichst nicht von Grund auf zu lösen, sondern aufwändig und mit grossem Gestus zu verschleppen. Dafür kam es durch die Auswertung zu spannenden Diskussionen mit AHA-Effekten bei Auszubildenden. Wir waren den gesamten Tag in Gespräche verwickelt. Zeitweise mussten wir die Besucher bitten, später noch einmal zu kommen, da wir bereits zwei Gespräche zeitgleich führten.

An diesem Tag wurde uns wieder einmal bewusst, wie alleine Eltern oft gelassen werden, die sich verantwortungsvoll und informiert für ihre autistischen Kinder um angemessene Lebensumstände bemühen und wie nötig diese Eltern unsere Hilfe benötigen.

Erfreut nahmen wir zur Kenntnis, dass neben unseren Stand nur der Stand des Elternverbandes Autismus Deutschland und die Flex-Schule nennenswerten Zulauf hatten und alle Infostände mit Therapieangeboten gering frequentiert wurden. Das lässt hoffen!

Rückblende zu unserem Stand auf der didacta 2011 in Stuttgart

Mit einem Messestand in Halle 9 der didacta 2011 stellte sich die Enthinderungsselbsthilfe von Autisten für Autisten und Angehörige – ESH als politische Vertretung von Autisten vor und verteilte Informationsmaterial an Interessierte.

Zwei Mitarbeiterinnen der ESH erläuterten an ausgestelltem Equipment die Möglichkeit der Onlinebeschulung von Autisten an Regelschulen.

Viele Besucher waren überrascht, wie einfach es ist, überlastete Autisten online von zu Hause aus am Unterricht teilnehmen zu lassen. Erschöpfungszustände und Overloads können mit wenigen Mitteln und Bereitschaft zu neuen Wegen vermieden werden.

An den insgesamt 5 Messetagen ließen sich Kindergärtnerinnen, LehrerInnen, SchulleiterInnen, Ministeriumsmitarbeiter, Messeaussteller, Eltern autistischer Kinder, Schüler, Therapeuten, Schulhelfer, Sozialarbeiter und Sozial- und Heilpädagogen informieren. Unter den Messestandbesuchern und unter den genannten Berufsgruppen befanden sich Autisten, die das Beratungsangebot aus der Sicht der Betreffenden beurteilten.

Die allgemeine Resonanz war: „Wie gut, dass es endlich eine solche Beratung durch Autisten selbst gibt!“

Die Möglichkeit der Beratung durch Chat mit Autisten scheiterte an der Überlastung der Netzwerke der Messe bzw. Überlagerung der Telefonnetze.

Alternativ empfahlen die Mitarbeiterinnen am Messestand, Informationen bei Autisten auf der ESH-Seite einzuholen und zeigten auf der Website die schriftlichen Informationsquellen in der Flugblattsammlung und dem Ratgeberforum auf.

Die Besucher am ESH-Stand waren belesen, zeigten sich aber mit dem Literaturangebot zu Autismus dahingehend unzufrieden, als es für die praktische Arbeit mit Autisten als wenig geeignet empfunden wurde, entweder weil es als diskriminierend erkannt oder der Persönlichkeit im Besonderen nicht annähernd als gerecht werdend erlebt wurde.

Unter den Fragestellern befanden sich sehr viele Pädagogen, die trotz großer Gruppen oder Klassen und der damit verbundenen Belastungen Energien für eine gezielte Förderung des anvertrauten autistischen Kindes frei machen wollten oder es bereits taten. Es wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass pädagogische Kräfte uninformiert mit den Kindern arbeiten müssten. Lehrerausbildung durch Autisten und konkrete örtliche Angebote wurden ausdrücklich erwünscht.

Eltern autistischer Kinder äußerten ähnliche Informationsnachteile und bedauerten, dass gerade in ländlichen Bereichen wenig Möglichkeit zum Austausch bestehe.

Die ESH wird die gemachten Angaben in ihre Planungen aufnehmen und bedankt sich bei den etwa 1.300 Informationsinteressierten für die Mithilfe, gezielter nach Wegen zu einer angemessenen Förderung autistischer Kinder und Jugendlichen suchen zu können.

Deutscher Behindertenrat: Autismus Deutschland vertritt die Interessen von autistischen Menschen

Der Kontakt der ESH zum vom deutschen Staat beauftragten „Deutschen Behindertenrat – Das Aktionsbündnis Deutscher Behindertenverbände“ (DBR) gerät immer mehr zur unglaublichen Posse. Zur Vorgeschichte kann hier nachgelesen werden.
Da der DBR, wie schon früher, seit Monaten gegenüber der ESH nicht antwortete, sei hier ein wenig aus einem Brief des DBR vom März 2009 zitiert:

„In seiner Arbeit bemüht sich der DBR, die Interessen aller Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung in ihrer Gesamtheit zu vertreten und deren Bedürfnisse gegenüber Politik und Verwaltung deutlich zu machen. Zu diesem Personenkreis zählen definitiv auch Menschen mit Autismus. Daher müssen wir Ihre Unterstellung, der Verband „Autismus Deutschland“ vertritt nicht die Interessen von autistischen Menschen, energisch zurückweisen.“

Darauf, daß Autismus Deutschland ein Elternverband ist, ging der Sprecher der BAG Selbsthilfe, die mittlerweile turnusgemäß den Vorsitz im DBR innehat, nicht ein. Mitgeteilt wurde dem DBR dies bereits, z.B. in einem Schreiben der ESH vom 3.3.2008 an den DBR:

„Viele Autisten fühlen sich von diesem Verband, der maßgeblich von Eltern gelenkt wird nicht vertreten oder teilweise gar aktiv diskriminiert.“

Nach wie vor ist im DBR keine Organisation Mitglied, die von Autisten selbst betrieben wird. Und wie der Fall der ESH zeigt, wird sogar jede Kooperation und jeder Austausch rüde abgeblockt.

Weiter schreibt der DBR:

„Nach Durchsicht und Recherche Ihrer Aktivitäten konnten wir feststellen, dass Ihre „Organisation“ keinen rechtlichen Status hat und auch nicht in bundesweit tätig ist (sic!). Vielmehr kann man zumindest aus dem Internetauftritt interpretieren, dass Sie in erster Linie Ihr Wohnprojekt vorantreiben wollen. Inhaltliche Aussagen zu Ihrer Selbsthilfearbeit finden sich nicht.“

Woraus auch deutlich wird, was beim DBR unter „Durchsicht und Recherche“ verstanden wird. Denn jeder, der diese Site nicht nur flüchtig angesehen hat, kann erkennen, wie fundiert diese abstrusen Aussagen sind. In der Korrespondenz mit dem DBR ging es zudem vorher nie um die Autistenkommune, die ein von der ESH unabhängiges Projekt ist.

Es bleibt anscheinend leider dabei: Die deutsche Behindertenlobby – potemkinsche Dörfer?

Wer sich durch den Link oben zu den älteren Artikeln durchklickt, findet auch Hinweise zu möglichem Emailprotest in dieser Sache.

Schulprobleme – AG Schule der ESH

Eine besondere Häufung von Fällen verzeichnet die ESH im Bereich der Schule. Autistische Kinder sind von barrierehaltigen Schulen überfordert, das dortige Personal versteht nicht was Autismus ist. Besonders verantwortungsvolle Eltern, die ihre Kinder zu ihrem Schutz aus solchen Schulen nehmen, werden gedrängt ihre Kinder gemäß der Schulpflicht wieder in die Schule zu schicken, obwohl die Bedingungen dort nicht als geeignet bezeichnet werden können. Was passiert dann erst mit autistischen Kindern, die kaum engagierte oder interessierte Eltern haben?

Autistische Kinder können unter diesen Umständen schlecht den Unterricht verfolgen, werden depressiv, äußern Suizidabsichten oder werden aufgrund der unzumutbaren Umstände physisch tätlich. In Extremfällen reicht das von verhängten Geldstrafen bis hin zu Versuchen von Behörden den Eltern das Sorgerecht zu entziehen, um dann über die autistischen Kinder ohne adäquates Wissen über Autismus verfügen zu können – eine Horrorvorstellung für Personen, die wissen, was das dann praktisch bedeutet.

Für all diese Fälle hat die ESH den Anspruch auch hier einen Durchblick zu bekommen. Aber die Bildung ist in Deutschland Ländersache, die Schulpflicht föderal geregelt – was an sich auch gut ist, nur eben für eine bundesweit agierende Interessenvertretung auch praktische Probleme mit sich bringt.

Erzählt eure Erfahrungen, wendet euch mit aktuellen Problemem an uns über das Kontaktformular oder agschule (ät) enthinderung.de (keine Form in der Anfrage erforderlich)

Schulhelfer sind aktuell ein gerne verwandtes Instrument Autisten einen Schulbesuch zu ermöglichen. Aber Schulhelfer lösen die Probleme nicht, die sind eher soetwas wie ein Leibwächter, der vor Diskriminierungen schützt – solange er eben da ist, nicht selbst merkwürdige Vorstellungen meint eigenmächtig umsetzen zu müssen oder sich für die Entlastung überforderter Lehrkräfte einspannen lässt. Und Schulhelfer sind fast nie dauerhaft da, sondern nur wenige Stunden.

Die ESH nimmt im Moment nicht Partei für ein bestimmtes Modell für Beschulung oder Bildung von Autisten. Da Autisten aber nach unserer Erfahrung oft barrierefrei schriftlich am freiesten kommunizieren können, ist es naheliegend andere Wege zu suchen, einige Ideen:

Hier gibt es auch ein Flugblatt als Basisinformation für Schulpersonal (später vielleicht auch mehrere): http://autismus.ra.unen.de/topic.php?id=2162

Ideen und Anregungen können natürlich auch gerne unter der oben genannten Emailadresse mitgeteilt werden.

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